Drachenwacht: Roman (German Edition)
das gleiche hohlbrüstige Vibrieren der Stimmen von großen Tieren mit Kampfgewicht. Viele Männer lagerten nicht im Umkreis, und es gab keine Feuer. Allem Anschein nach handelte es sich um eine Gruppe kleinerer Drachen, vor allem Kuriertiere, deren Besatzungen aus jeweils einem Kapitän bestanden, der, an ihre Seite geschmiegt, schlief.
Was die praktische Seite betraf, durfte es nicht sonderlich schwierig sein, sie zu umrunden. Laurence hatte das Gefühl, inzwischen voll und ganz an die Anwesenheit von Drachen gewöhnt zu sein, und es hatte ihm nichts ausgemacht, die Straßen von Peking entlangzugehen oder die Pavillons zu betreten, wo die großen Tiere in riesigen, verschlungenen Haufen herumlagen. Aber hier, beinahe ohne jedes Licht, schien das unablässig mahlende Geräusch noch verstärkt, und er konnte ein Schaudern nicht ganz unterdrücken, das ihm über den
Rücken lief, als sie von einer Baumgruppe zur nächsten huschten, um so die Wiesen zu überqueren, wo die Drachen schliefen.
Der Verstand sollte einem sagen, dass es sich um intelligente Wesen handelte, die sie eher gefangen nehmen würden als sie zu töten, aber sein Magen wusste das nicht. Dieser merkte nur, dass da ein Dutzend Tiere oder mehr in der Nähe waren, die Laurence nicht sehen konnte, wenn sie sich bewegen sollten, und die ihn im gewöhnlichen Leben eines Tieres als schmackhaftes Fressen ansehen würden. Merkwürdigerweise waren sie durch ihre geringe Größe noch erschreckender: Für einen richtig großen Drachen wäre ein einzelner Mann als Mahlzeit nicht sonderlich interessant.
Also versuchte er, sich mit kühlen, vernünftigen Gedanken zu beruhigen und das mulmige Gefühl zu ersticken. Doch sein Verstand kam nicht an gegen die unwillkürlichen Reaktionen seines Körpers, als jede Silhouette zu einem Drachen wurde und jedes Rascheln von trockenen Blättern einen Angriff anzukündigen schien. Trotzdem mussten sie sich ständig weiterbewegen, durch eine Finsternis, die so undurchdringlich war, dass Laurence seine Hand vors Gesicht halten musste, um nicht gegen Zweige zu laufen.
Vor ihnen war Woolveys keuchender Atem zu hören und sein stoßweises Schnaufen. Ab und an stolperte er. Tharkay hatte die Führung übernommen, sie kamen voran. Laurence folgte dem Geräusch von Atem und Schritten, und er war beinahe vollkommen blind. Ein Flackern oder nicht einmal so viel, sondern eher eine vage Ahnung einer Bewegung, ließ ihn den Kopf herumreißen, und er blieb einen Augenblick stehen, starrte in die Dunkelheit und versuchte, irgendetwas zu erkennen: Ein hoffnungsloser Versuch, außer dass er etwas sah, das wie ein dunkler, schlangenhafter Fleck wirkte, der sich in den Himmel schraubte und die Sterne ausblendete.
Laurence beschleunigte den Schritt, um Woolvey aufzuhalten, und stieß ein leises Zischen aus, damit sich Tharkay umdrehte und zurückkam. Zusammengekauert warteten sie ab und lauschten. Der Drache stieß ein langes, gähnendes Seufzen aus und murmelte etwas
auf Französisch. Dann machte er einen raschen Sprung, das lederne Flappen von Flügeln war zu hören, und er war in der Luft. Sie bewegten sich nicht, während sie ihn über sich hören konnten, und blieben auch danach noch auf den Boden gepresst wie scheue Hasen, die dem Blick des Falken zu entgehen versuchen, bis sie schließlich wieder Mut gesammelt hatten und sich aufrichteten.
Es schien ein ziemlich langer Fußmarsch, bis sie endlich bei der nächsten breiten Baumgruppe anlangten. Sie waren erleichtert, und der Boden unter ihren Füßen klang auf einmal nach feinerem Schotter und dem Sand eines befestigten Weges. Sie waren am Ende des Anwesens angekommen. Auf der anderen Seite des Weges erhob sich die breite Hecke des Palastgartens wie eine riesige, schwarze Mauer vor ihnen, und der Schein der Feuer, die in der Ferne zu beiden Enden des Pfades zu sehen waren, war klein wie von Glühwürmchen: Es waren die Wachen. Aber niemand befand sich unmittelbar vor ihnen, denn die Patrouille blieb faul in der Nähe ihrer geschützten Posten.
Tharkay bedeutete Laurence, mit Woolvey zu warten, und einen Augenblick später kam er schweigend zurück, um sie zu einer Stelle zu führen, die er an der Hecke gefunden hatte. Ein niedriger Steinbrocken lag in der Nähe der Hecke, von wo aus ein dicker Ulmenzweig zu erreichen war. Daran hatte er bereits ein Seil befestigt, das nun herunterbaumelte. Laurence nickte und zog seinen dicken Lederkittel aus, um ihn über die Spitze der Hecke zu
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