Drachenwacht: Roman (German Edition)
dass Iskierka mit mir davonfliegt.«
»Ich bin mir sicher, es gibt genug Schuld, die Sie zwischen sich aufteilen können«, fiel Wellesley mit schneidender Stimme ein.
»Es war überhaupt nicht Granbys Schuld«, kreischte Iskierka, die gelauscht hatte. »Er wollte überhaupt nicht, dass wir wegfliegen, und es tut mir inzwischen so leid, dass ich nicht auf ihn gehört habe. Aber ich sehe gar nicht ein, warum wir wie die Hühnchen hinter Ihnen herflattern sollen und den ganzen Tag nicht kämpfen. Wenn wir Sie beschützen sollen, würden wir besser daran tun, uns jemanden zu suchen, der vorhat, Sie anzugreifen, und ihn zu töten, ehe er seinen Plan in die Tat umsetzen kann. Also war das völlig sinnvoll, was ich gemacht habe, und es war nur Pech, dass wir geschnappt wurden. Aber auch so ist doch noch mal alles gut ausgegangen, also gibt’s gar keinen Grund für Sie, so ein Geschrei zu machen.«
»Ja, ich beginne einzusehen, dass Ihr Kapitän tatsächlich völlig
unschuldig ist«, sagte Wellesley und musterte sie eindringlich. »Granby, nicht wahr?«
»Ja, Sir«, antwortete Granby mit elender Stimme.
»Das nächste Mal, wenn diese Kreatur nicht gehorcht, werde ich sie von ihrem Geschirr befreien«, verkündete Wellesley. »Sie und Ihre Mannschaft werden dann einem anderen Tier zugewiesen. Was dieses Tier angeht, so ist es mir völlig egal, ob es in ein Zuchtgehege geht oder über das Meer verschwindet. Wenn es keine Befehle befolgen kann, ist es nutzlos für uns, ja schlimmer als nutzlos, wenn es andere gute Tiere dazu bringt, sich in Gefahr zu bringen.«
»Oh!«, stieß Iskierka aus, und ihr entfuhr eine zischende Dampfwolke. »Ich, ich bin überhaupt nicht nutzlos! Ich habe mehr Prisen als jeder andere erbeutet. Und ich kann jeden schlagen, der mit mir kämpfen will …«
»Prahlerei beeindruckt mich nicht!«, fuhr Wellesley sie an. »Wir sind hier, um einen Krieg zu gewinnen, nicht eine einzelne Schlacht oder eine private Auseinandersetzung. Und jeder einzelne Drache, so wie auch jeder einzelne Mann, ist verzichtbar. Die Nation hat es bislang ohne einen Himmelsdrachen und ohne einen Feuerspucker ausgehalten, und wir werden es auch wieder ohne schaffen, wenn es sein muss. Wenn Sie unbedingt einen Kampf haben wollen, müssen Sie sich so lange gedulden, bis wir bereit sind, einen solchen den Franzosen zu liefern. Bis dahin werden Sie sich benehmen, oder Sie können sich von Ihrem Kapitän verabschieden und verschwinden. Wir werden schon eine andere Arbeit für ihn finden.«
»Granby, darauf würdest du dich doch nicht einlassen«, flehte sie, und der arme Granby stand bleich und niedergeschlagen neben ihr, warf Wellesley einen Blick zu und sagte dann leise: »Meine Liebe, ich bin ein Offizier des Königs.«
Laurence sah weg. Er wusste nicht, ob er selbst eine solche Prüfung bestanden hätte, aber Temeraire war auch nicht auf diese Weise unbändig. Sein Ungehorsam war überlegter und ernsthafter als der von Iskierka. Aber das waren alles nur Ausflüchte. Wenn Wellesley
oder sonst irgendein Vorgesetzter ihm befehlen würde, Temeraire zu verlassen, ihm die schlichte Anweisung gäbe, einer anderen Pflicht nachzukommen, ohne zu einem solch abscheulichen Trick wie mit dem kranken Drachen zu greifen …
Iskierka stieß ein klagendes Geräusch tief in ihrer Kehle aus und zischte eine Dampfwolke aus, die so dick war, dass sie auf dem Boden über ihre Beine waberte. Dann sprang sie über die Lichtung hinweg und rollte sich ganz eng zusammen zu einer großen Spirale. Arkady war mit einem Satz an ihrer Seite und begann, in der Drachensprache beruhigend auf sie einzureden.
»Mir würde es nichts ausmachen, wenn sie mit den Wilddrachen verschwinden würde«, sagte Temeraire, der zuhörte. »Und wenn Sie mich fragen, dann würde es ihr ganz recht geschehen. Ich würde Sie jedenfalls mit Freuden wieder in meine Mannschaft aufnehmen, Granby«, fügte er hinzu.
»Bitte entschuldigen Sie mich«, sagte Granby. Er sah mitgenommen aus und rannte Iskierka über die Lichtung hinterher.
»Sie haben es gerade nötig, andere zu kritisieren«, fuhr Wellesley Temeraire an.
»Ich renne nicht weg, um meinen eigenen Vergnügungen nachzugehen!« , betonte Temeraire. »Ich habe niemals einen Befehl verweigert, es sei denn, jemand hat vorher versucht, mir Laurence wegzunehmen oder ihn zu verletzen. Oder als die Regierung vorhatte, alle Drachen der Welt umzubringen.«
»Also haben Sie sich nur ungefähr ein Dutzend Male der
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