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Drachenwacht: Roman (German Edition)

Drachenwacht: Roman (German Edition)

Titel: Drachenwacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Naomi Novik
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Laurence, ich dachte, Sie wären im Gefängnis«, in einem Ton, der eher erstaunt als verurteilend klang. »Ich habe einen Sohn«, fügte er hinzu.
    »Ich gratuliere«, sagte Laurence und schüttelte die dargebotene Hand, die erste Bemerkung geflissentlich überhörend. Riley erwiderte diese Begrüßung und schien gar nicht zu bemerken, dass er keine Erwiderung erhalten hatte. »Geht es Catherine gut?«
    »Ich habe nicht die geringste Ahnung«, antwortete Riley. »Die sind allesamt vor drei Tagen zur Küste losgeflogen, und auch wenn es kaum zu glauben ist: Sie bestand darauf, dass man auf sie zu Hause nicht verzichten könne. Gott sei Dank hatten wir bereits eine Amme aus dem Dorf gefunden, aber ich wage zu behaupten, dass sie sonst
auch geflogen wäre und das Kind hätte verhungern lassen. Wussten Sie eigentlich, dass man Säuglinge alle zwei Stunden füttern muss?«
    Er hatte keine Ahnung, warum die Drachen abgezogen worden waren oder wohin genau sie unterwegs waren; das bisschen Zeit, das er nicht für die Versorgung des Neugeborenen brauchte, floss in die Allegiance . Er hatte sie in einem Trockendock in Plymouth gelassen, wo sie nach der Afrikareise überholt werden sollte, doch da sich nun Bonaparte und seine Armee zwischen ihm und dem Hafen befanden, machte er sich Sorgen über das Schicksal des Schiffes. »Ich bin mir sicher, dass die Marine Napoleon nicht in Plymouth einziehen lässt«, sagte er, »ich bin mir da ganz sicher. Aber wenn er doch irgendwie den ganzen Süden besetzen sollte, dann …«
    »Sir«, sagte Emily, und Laurence sah zu ihr hinunter. Sie zupfte ihn am Ellbogen, Demane im Schlepptau. »Sir, Temeraire schickt mich … Also gut, er schickt uns, um Ihnen zu sagen, dass der französische Drache große Reden schwingt und versucht, die anderen Drachen in Versuchung zu führen. Er versucht, sie zu bestechen, damit sie zum Kaiser überlaufen, weil sie da Pavillons und Juwelen und so bekommen. Er kann nämlich Englisch sprechen.«
    »Wo ist der Abgesandte?«, fragte Laurence Riley. »Wissen Sie, wen sie geschickt haben?«
    »Talleyrand«, antwortete Riley.
     
    Die Konferenz war bereits in einem wenig benutzten Bibliothekszimmer in einem der oberen Stockwerke im Gange; unmittelbar nach ihrer Ankunft hatte sich Wellesley entschlossen, an den Gesprächen und Verhandlungen teilzunehmen. Laurence war sich sicher, dass von allen Senioroffizieren bei ihm die Chance am größten wäre, dass er das ganze Ausmaß der Bedrohung durch diesen französischen Drachen ernst nehmen würde. Aber der Raum war von Wachen und Adjutanten versperrt, unter ihnen zehn Franzosen in Uniformen, ähnlich denen der Kavallerieoffiziere, die man jedoch für das Fliegen leicht abgewandelt hatte. So waren die langen Mäntel aus Leder, und
in den Gürteln steckten schwere Handschuhe. Laurence hatte keine Idee, wie er eine Nachricht in den Konferenzraum hineinschicken sollte, bis sein Blick auf Rowley fiel und er ihn zu sich rief.
    Rowleys persönliche Verachtung hatte sich nicht gelegt, aber er war soeben Zeuge geworden, wie ein Marsch von einem Monat auf zwei Wochen auf Drachenrücken verkürzt worden war, und auch wenn er nicht lächelte, hörte er Laurence immerhin zu und antwortete knapp: »Nun gut, kommen Sie mit«, woraufhin er ihn durch eine Seitentür in die Bibliothek führte.
    Talleyrand war nicht allein gekommen. Er saß an der Seite eines langen Tisches, der für diese Gelegenheit in das Zimmer geschafft worden war, und er hatte einen Marschall neben sich. Es handelte sich dabei um Murat, Bonapartes Schwager. Sie bildeten ein sonderbares Paar: Talleyrand mit seinem langen, aristokratischen, blassen Gesicht unter schütterem, blondem Haar, das beinahe ausgeblichen wirkte, neben Murat, der dicke, gelockte Haare und leuchtend blaue Augen hatte, in einem Gesicht, das von Wind und Arbeit gegerbt war. Sein Körper war kräftig, er selbst jeder Zentimeter ein waschechter Soldat. Murats Kleidung war beinahe von fast absurder Pracht, aus der Nähe betrachtet: Er trug einen schwarzen Ledermantel mit goldener Stickerei und goldenen Knöpfen, darunter einen schneeweißen Stehkragen und ein ebensolches Hemd. Handschuhe, ebenfalls aus schwarzem Leder mit Goldbesatz, lagen neben ihm auf dem Tisch. Talleyrands Kleidung war von stillerer und förmlicherer Eleganz.
    Ihnen gegenüber saßen ein halbes Dutzend Minister, die ganz und gar anders angezogen waren und allesamt nach dem langwierigen, in aller Eile vollzogenen Rückzug aus

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