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Drachenwacht: Roman (German Edition)

Drachenwacht: Roman (German Edition)

Titel: Drachenwacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Naomi Novik
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London aussahen und das Unbehagen ausstrahlten, das es für sie bedeuten musste, nun in einem Militärlager untergebracht zu sein. Vor allem Perceval, der Premierminister, wirkte besonders erschöpft und unzufrieden. Seine Zeit als Minister war von Beginn an eine wacklige und sehr zweifelhafte Angelegenheit gewesen und hatte vor allem an kleineren Unregelmäßigkeiten
und Männern, die er aufgrund ihrer Schmeichelei auf ihre Posten befördert hatte, gekrankt. Die Regierung seines Vorgängers, Lord Portland, war unter dem Gewicht des Desasters in Afrika zusammengebrochen, und der alte Mann hatte sich geweigert, einen neuen Stab zu suchen. Canning, der letzte Außenminister, hatte sich selbst um diese Stellung bemüht und war gescheitert, woraufhin er sich sowohl weigerte, der neuen Regierung beizutreten, als auch verhinderte, dass der Kriegsminister Lord Castlereagh sich ihr anschloss. So musste sich Perceval mit Lord Bathurst und Lord Liverpool begnügen; es waren gute Männer, aber er brauchte jetzt mehr als je zuvor die fähigsten und begabtesten Berater, die er kriegen konnte. Auch wenn Lord Bathurst ein Befürworter der Sklavenbefreiung war, so musste Laurence doch zugeben, dass er nicht der Mann war, den irgendjemand ausgewählt hätte, um nun hier Talleyrand gegenüber am Verhandlungstisch zu sitzen.
    Lord Mulgrave, der Erste Lord der Admiralität, hatte seinen Posten behalten. Dalrymple saß bei ihm, ein alter, fetter Soldat, und keiner von beiden wirkte so, als sei er dem Marschall gewachsen. Macht, Energie und beeindruckendes Auftreten versammelte sich an einer Seite des Tisches. Die Geschliffenheit und das blasierte Gehabe des Ancien Régime prallte auf die grobschlächtige Brutalität des Königreiches. Einzig Wellesley, der am anderen Ende des Tisches neben Lord Liverpool saß, wirkte nicht schon halb besiegt. Er war in aufgebrachter Stimmung und presste seine Kiefer fest zusammen.
    Rowley beugte sich vor, um ihm etwas ins Ohr zu flüstern, woraufhin sich Wellesley über den Tisch lehnte und die Unterhaltung, die in Französisch geführt wurde, mit den Worten unterbrach: »Was zum Teufel hat das zu bedeuten? Sie kommen hierher unter dem Schutz der weißen Fahne, und währenddessen sitzt ihr Drache im Hof und versucht, unsere Drachen mit Juwelen zu bestechen?«
    Auf diese Anschuldigung hin stieß Murat einen empörten Schrei aus und antwortete: »Ich bin sicher, hier liegt ein Missverständnis vor. Liberté steckt voller Begeisterung, aber er würde doch …«
    »Ich bin mir sicher, dass General Wellesley niemandem zu nahe treten wollte.« Lord Eldon war schnell zu Entschuldigungen bereit. »Sicherlich ist Ihre Hoheit«, – Bonaparte machte die Mitglieder seiner eigene Familie sehr gerne zu Prinzen – »mit der barschen, freimütigen Rede der Soldaten vertraut …«
    Talleyrand folgte der Diskussion mit halb geschlossenen Augen, die einen kurzen Moment lang zu Laurence flackerten. Dann winkte er mit gebogenem Finger einen seiner Adjutanten näher, beugte sich zu ihm und beriet sich flüsternd. Als die ersten hitzigen Worte ausgetauscht waren, schaltete er sich ein und sagte: »Vielleicht sollten Marschall Murat und ich uns jetzt entschuldigen und ein Wort mit Liberté sprechen, um sicherzugehen, dass es nicht zu weiteren Missverständnissen kommt. Unsere Unterhaltung hier war lang, und eine kurze Unterbrechung würden uns allen guttun.« Unbeholfen erhob er sich, woraufhin auch alle anderen von ihren Stühlen aufstanden, und beugte sich ein wenig in Percevals Richtung: »Ich hoffe, wir haben noch eine weitere Gelegenheit, uns auszutauschen, sagen wir heute Abend?«
    Mit einer Verbeugung ließ er Murat den Vortritt und ließ ihn auch zuerst den Raum verlassen. Er humpelte ihm hinterher, blieb jedoch an der Tür kurz stehen, drehte sich zu Laurence um und sagte laut und für alle vernehmlich: »Gestatten Sie mir, Ihnen noch einmal den Dank der Regierung Seiner Kaiserlichen Majestät zu übermitteln, Monsieur Laurence, und Ihnen zu versichern, dass Frankreich in Ihrer Schuld steht, was der Kaiser nicht vergessen wird.«
    Die wohlgesetzten Worte trafen Laurence schlimmer als Messer. Er war sich voller Bitterkeit sicher, dass ihn dieser Schmerz nur beiläufig ereilte, da Talleyrand eigentlich auf die Minister am Tisch gezielt hatte. Er wollte jede Nachricht, die Laurence überbrachte, unglaubwürdig erscheinen lassen. »Ihre Regierung, Monsieur«, sagte Laurence, »schuldet mir gar nichts. Ich habe nicht

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