Drachenwacht: Roman (German Edition)
singen hören. Sie schmetterten eine zotige Abwandlung von »Au près de ma blonde, qu’il fait bon, fait bon, fait bon«, während sie durch einen bewaldeten Abschnitt marschierten. Dann kamen sie wieder hinaus auf die offene Straße, das Vieh in einer muhenden Reihe. Die Kühe warfen unruhig die Köpfe hin und her, denn sie konnten die Drachen in der Luft riechen. Die Männer zogen verärgert an den Stricken der Kühe und versuchten, sie hinter sich herzuzerren. Sie sahen nicht nach oben.
Temeraire wandte seinen Kopf und blickte Laurence an. Zehn Drachen flogen hinter ihnen. »Mr. Allen«, sagte Laurence, »das Signal für den Angriff.«
14
»Ich verstehe nicht, was daran falsch sein soll«, sagte Iskierka, die noch immer an den verkohlten Knochen ihres Abendbrots knabberte. »Sie stehlen die Kühe für ihre Drachen. Es ist doch nicht unser Fehler, wenn ihre Drachen zu faul sind, zu kommen und sich ihr Fressen selbst zu besorgen.«
»Es ist nicht falsch im eigentlichen Sinne«, sagte Temeraire unzufrieden.
»Aber auch nicht die feine Art«, gab Gentius zu bedenken. »Sie hatten nicht einmal eine Kanone.«
»Auch das Dorf hatte keine Kanone oder wenigstens Musketen«, fiel Lily ein, »also waren die Soldaten die Ersten, die sich nicht auf die feine Art benommen haben.«
»Wie dem auch sei«, fügte Iskierka mit peinlicher Rechtschaffenheit hinzu, »wir müssen uns an unsere Befehle halten.«
Temeraire wollte sich nicht weiterstreiten. Es war nicht so, dass es ihm um ihn selbst ging, jedenfalls nicht in erster Linie, auch wenn es keine interessante Schlacht gewesen war. Sie waren aus der Luft hinabgestoßen, die Soldaten hatten ein paar Schüsse abgegeben und waren in den Wald geflüchtet, wenn sie noch nicht tot waren; es hatte kaum fünf Minuten gedauert und nicht viel eingebracht. Abgesehen natürlich von einigen Kühen, aber die meisten davon mussten sie ohnehin den Dorfbewohnern zurückgeben.
Selbstverständlich würde Temeraire das nicht so sagen, aber er hatte das Gefühl, dass Iskierka recht hatte. Wenn die Soldaten nicht angegriffen werden wollten, dann hätten sie nicht in anderer Leute Territorium vordringen und ihre Vorräte plündern dürfen und dann auch noch viel mehr an Essbarem mitnehmen, als sie selber runterkriegen
konnten. Er war nur ein bisschen besorgt, weil er das Gefühl nicht loswurde, dass Laurence dies normalerweise nicht gefallen hätte, und er spürte instinktiv, wie seltsam es war, dass Laurence nun so apathisch erschien.
Die Dorfbewohner waren voller Dankbarkeit. »Noch zwei Monate bis zum Frühling. Wir wären verhungert oder jedenfalls so gut wie. Danke, Sir«, sagte der Ortsvorsteher, und das halb niedergebrannte Bauernhaus war schon beinahe wieder vergessen, als die anderen Einwohner nervös dazustießen, um ihr Vieh und ihre Besitztümer zu sichten und sich ihrerseits zu bedanken.
Einige junge Männer von Maximus’ Bodentruppe hatten jene Kühe zurückgetrieben, die nicht getötet worden oder während des Kampfes in Panik geraten und infolgedessen verendet waren; Gladius und Chalcedony hatten außerdem die zwei großen Wagen voller Getreide wieder ins Dorf gebracht. Die Dorfbewohner hatten eine Nachricht an andere Dörfer ausgeschickt, die ebenfalls Opfer von Plünderungen geworden waren, dass sie kommen sollten, damit man das, was übrig geblieben war, teilen konnte.
Aber auch ihr Dank schien Laurence keine Freude zu machen; er nickte lediglich und sagte: »Verbreiten Sie Folgendes: Wenn Sie irgendwelche französischen Bewegungen sehen oder davon hören, entzünden Sie ein Leuchtfeuer, das ordentlich qualmt, oder veranstalten Sie ein nächtliches Feuerwerk, dann werden wir kommen, sobald wir es sehen.«
Gong Su hatte sich der Kühe, die getötet worden waren, angenommen. Es waren genug, sodass alle Drachen ein wenig frischen Rostbraten bekamen; und dann gab es noch eine große Portion Suppe aus den Knochen, vermischt mit Gemüse und Getreide; auch für die Mannschaft und jeden sonst im Dorf reichte die Mahlzeit. Es herrschte eine Atmosphäre, als hätten sie etwas zu feiern, umso mehr, als die Dorfbewohner ihren versteckten Vorrat an Honigwein beisteuerten. Sogar Temeraire genoss einen Becher davon, der ihm
ins Maul gegossen wurde. Er schloss die Kiefer, und das scharfe, duftende Aroma zerging ihm auf der Zunge.
Laurence hatte nicht viel gegessen und ließ rasch das Dorf und die Feier hinter sich, um zu Temeraire zurückzukehren, jedoch nur, um wieder seine
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