Drachenwacht: Roman (German Edition)
in der beginnenden Dämmerung verschwammen die Umrisse. »Na, das ist doch ein großes Glück«, sagte Harcourt unsicher.
»Bitte entschuldige mich«, sagte er. »Ich werde nicht lange fort sein«, und er lief über den Rasen auf das Haus zu. Die Heckenreihen waren getrimmt, und auf den Wegen hatte man den Schnee weggefegt. Laurence hörte ein Gewirr aus Geräuschen und Stimmen, als er näher kam, bis er schließlich in den symmetrisch angelegten Gärten stand und durch ein Fenster in den kerzenerleuchteten Ballsaal
schauen konnte, der voller Menschen war. Sie standen herum und saßen und lagen auf Pritschen und Feldbetten. Es waren die Bewohner der umliegenden Landhäuser, die Laurence wiedererkannte, und noch andere Leute aus dem Dorf.
»He da, was machen Sie denn da? Sie können zur Vordertür kommen, wenn Sie etwas wollen«, sprach jemand Laurence an, der vor Schreck zusammenfuhr. Es war ein junger Gärtner, der die Stirn gerunzelt hatte und einen Rechen einsatzbereit in den Händen hielt.
»Ich bin William Laurence«, entgegnete er. »Ist Lady Allendale hier?«
Sie kam zu ihm heraus, gegen die Kälte in einen Umhang gehüllt, der aus einfacher Wolle war, nicht wie üblich aus Fell. »Will, mein Lieber«, sagte sie, »geht es dir gut? Bist du allein …«
»Wir lagern im Park, aber nur um zu jagen«, sagte Laurence. »Wir brechen wieder auf, sobald die Drachen ihren Hunger gestillt haben. Bist du wohlauf? Und mein Vater?«
»So gut, wie man erwarten kann bei all diesen Unruhen«, sagte sie. »Obwohl er nur wenig davon ahnt, was geschieht. Aber er weiß, dass du wieder beim Korps bist«, fügte sie rasch hinzu.
Er antwortete nicht. Angesichts des Dienstes, den er versah, gab es nichts, worauf er hätte stolz sein können. »Ich bin so froh, dass ihr nicht belästigt wurdet«, sagte er nach einem Augenblick, ungewöhnlich reserviert. »Wir sind über das Dorf geflogen … Ich hoffe, Lord und Lady Galman sind unversehrt.«
Auch Lady Allendale stockte. »Ja, sie wohnen bei uns.«
Er machte erneut eine Pause und griff in seine Tasche, um den Ring hervorzuholen, der noch immer in dem kleinen Umschlag lag, den er dafür gefaltet hatte. »Ich wünschte, ich müsste nicht … Es tut mir so leid, dass ich die schlechte Nachricht überbringen muss«, sagte er. »Mr. Woolvey wurde in London getötet… Ich habe diesen Ring aufbewahrt, um ihn Edith zu schicken, sobald das möglich ist. Wenn ihre Eltern vielleicht …«
»Ja, wir haben davon gehört«, entgegnete Lady Allendale leise und unglücklich und nahm den Ring entgegen. Sie schloss die Hand um den Umschlag, und ihr Gesicht sah angespannt aus.
»Es war ein guter Tod«, sagte Laurence, »falls man das sagen kann. Er ist tapfer gestorben und immerhin im Dienst der Krone.«
Sie nickte, und sie standen eine Weile schweigend da. Ein leichtes Schneegestöber hatte eingesetzt, und die weißen Tupfer blieben auf ihrem dunklen Umhang liegen. »Erzähl mir alles«, sagte Laurence schließlich.
»Ein Offizier kam und überbrachte uns einen Gruß des Kaisers. Uns wurde versichert, dass man uns nie irgendwelchen Schaden zufügen würde«, sagte sie. »Kein einziger Trupp auf Nahrungssuche kam hierher, auch nicht, als sie überall in der Gegend plünderten …«
»Ja«, unterbrach Laurence sie, »ich verstehe«, und er verstand natürlich auch das Entsetzliche, das dies für ihn bedeutete: Bonaparte war es doch noch gelungen, ihn für seinen Verrat zu bezahlen.
»Wir können noch weitaus mehr Menschen Unterschlupf gewähren«, sagte Lady Allendale einen Augenblick später leise. »Auch unsere Vorratskammern sind unberührt, falls es jemanden gibt, den du zu uns schicken willst.«
»Vielleicht könntest du einen Karren nach Wollaton schicken«, sagte er, »sie sind dort heute Morgen angegriffen worden und haben Verwundete.«
»Ja, natürlich«, sagte sie. »Wirst du heute Nacht noch bleiben?« Nur mit Mühe hielt er sich davon ab, entsetzt abzulehnen, und legte nur seine Hand an den Hut. »Ich bitte um Verzeihung. Wir haben heute Nacht noch einige Flugstunden vor uns«, sagte er, verbeugte sich und drehte sich um. Die Lichter des Hauses funkelten auf dem Schnee, als er davonging.
Temeraire hatte drei Hirsche gerissen, obwohl diese leichtfüßig davongestoben waren, und er war ganz zufrieden mit der Welt, bis Laurence aschfahl im Gesicht vom Haus zurückkam und sich weigerte,
seinen Teil vom Abendessen zu verzehren. »Ich bin sehr froh, dass das Haus
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