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Drachenwacht: Roman (German Edition)

Drachenwacht: Roman (German Edition)

Titel: Drachenwacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Naomi Novik
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den Wolken gelöst hatte und bei dem nach und nach Flügel zu erkennen waren.
    Es handelte sich um Gherni: eine zerschlagene Gherni, die vom schnellen Fliegen keuchte und deren Gesicht von Blutspuren gezeichnet war, die sie von Zeit zu Zeit erfolglos mit der Schulter wegzureiben versucht hatte, nur um sie zu einem ziegelsteinroten Film zu verwischen, der ihre blaue Haut überdeckte. Tharkay war bei ihr, und er sprang mitten im Flug auf Temeraires Rücken wie ein Enterer, gesichert jedoch durch einen Doppelgurt aus dickem Leder. Kaum
dass er gelandet war, hakte er sich an der Taille los und sicherte sich an Temeraires Geschirr. Gherni fing das lose Ende auf, an dem zahllose Klöppelglocken klingelten, und wickelte es sich einige Male um ihr Vorderbein.
    »Was ist das denn?«, fragte Temeraire interessiert und reckte den Kopf, um sich den Riemen genauer zu besehen.
    »Ich habe ihn auf meiner letzten Reise nach Istanbul anfertigen lassen«, erklärte Tharkay, und, an Laurence gewandt, fuhr er fort. »Iskierka ist entführt worden.«
    Er brachte sie zu Arkady und den anderen Deserteuren, die sich im Schutz eines hohen Hügels, der sie von der Straße abschirmte, zusammengedrängt hatten und ihre Wunden leckten. Die Kuppe warf in der Nachmittagssonne einen Schatten, der lang genug war, um sie vor flüchtigen Blicken vom Himmel herab zu verbergen. Der rotgetupfte Wilddrache erhob sich, als Temeraire zum Landen ansetzte, und spreizte verteidigungsbereit die Flügel.
    »Das reicht, du solltest nicht mich anfauchen«, sagte Temeraire. »Du weißt ganz genau, dass du dich wie ein…« Er brach ab und überlegte. »… wie ein Schuft benommen hast. Du hättest dich nicht davonstehlen sollen, und wenn es dir jetzt übel ergangen ist, dann hast du das nur dir selbst zuzuschreiben. Du solltest dein Verhalten lieber bereuen und versprechen, so etwas nicht noch einmal zu tun, als zu zischen.«
    »Sie haben sich heute kurz vor Mittag abgesetzt«, berichtete Tharkay Laurence, als sie sich hinhockten und einen Flecken Erde glattstrichen, damit Tharkay die Vorfälle skizzieren konnte. »Sie haben das ganz geschickt angestellt: Den ganzen Morgen über sind sie in die Wolken aufgestiegen und haben mit ihrer Singerei Lärm gemacht. Als wir begriffen, dass sie Richtung London fliegen wollten, waren sie schon lange außer Hörweite. Granbys Geschützmannschaften haben noch einige Raketen abgefeuert, aber es war ein hoffnungsloses Unterfangen. Von diesem Augenblick an waren wir vom Pech verfolgt: Wir waren bereits zwei Stunden lang Richtung London geflogen,
ohne auf einen einzigen feindlichen Drachen zu treffen, sodass wir uns schon auf Bonapartes Türschwelle befanden, als wir auf andere Tiere stießen. Und die stammten von Davouts Vorhut, die Vieh zusammentrieb: zwei Grand Chevaliers und ein halbes Dutzend anderer Schwergewichte. Natürlich haben sich alle sofort auf Iskierka gestürzt; ich schätze, ich habe an die sechzig Mann gleichzeitig auf ihren Rücken springen sehen. Mit einem Mal reagierte Arkady bemerkenswert weniger taub auf meine Anweisungen, und es gelang uns zu fliehen. Aber die Franzosen hatten Granby schon wie ein Hühnchen verschnürt und auf einen ihrer Chevaliers verfrachtet. Und sie sausten so schnell, wie sie konnten, davon, während Iskierka wie wild hinter ihnen herflatterte.«
    »Ich wusste, ich hätte nie zulassen dürfen, dass sie Granby bekommt«, erboste sich Temeraire. »Jetzt seht euch an, wie sie ihn verloren hat: nicht einmal in einer richtigen Schlacht. Wir sollten ihn zurückholen und sie bei den Franzosen lassen; wir können froh sein, wenn wir sie los sind.«
    Laurence tauschte einen Blick mit Tharkay. Es war auf keinen Fall wünschenswert, ihren einzigen Feuerspucker an die Franzosen loszuwerden, gleichgültig, wie eigensinnig dieser Drache auch sein mochte. »Haben Sie gesehen, wohin sie sich begeben haben?«, fragte Laurence leise.
    »Geradewegs nach London«, erwiderte Tharkay.

10
    »Ich bin doch jetzt ein Offizier«, sagte Temeraire, »also sehe ich nicht ein, warum ich hierbleiben soll.«
    »Auch wenn du ein General wärst, würde dich das nicht kleiner machen«, entgegnete Laurence. »Ein Zwanzigtonnendrache braucht nicht zu versuchen zu spionieren, und das ist unsere einzige Hoffnung, wie wir Granby befreien können.«
    »Aber was ist denn, wenn die dich gefangen nehmen?«, wandte Temeraire ein. »Dann wäre ich genauso unfähig wie Iskierka: Es ist meine Pflicht, auf dich aufzupassen.«
    Beinahe

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