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Drachenwacht: Roman (German Edition)

Drachenwacht: Roman (German Edition)

Titel: Drachenwacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Naomi Novik
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Wolkenbänke vor ihm auftürmten. Vielleicht würde das Schiff an den Klippen zerschellen, wenn sich der Wind drehte, aber wenigstens für den Moment wusste er, was zu tun war, und es stand ihm frei, die Dinge anzupacken.
    In weniger als zehn Minuten waren sie fertig und wären sofort aufgebrochen, wenn nicht Gong Su gekommen wäre, um ihnen auf einer behelfsmäßigen Platte aus Rinde zwei kleine Spieße anzubieten, auf denen winzige Herzen und Lebern steckten, noch dampfend und roh. Laurence sah sie mit Abscheu an. »Sie tragen ein wenig vom Göttlichen Wind in sich«, erklärte Gong Su: Es waren die Reste der Vögel, die Temeraire versehentlich getötet hatte. »Das bringt Glück.«
    Laurence war nicht abergläubisch, aber trotzdem aß er sie; sie konnten keinen Vorteil, wie auch immer er aussehen mochte, verschmähen. Tharkay griff ebenfalls zu, dann zog er sich die Kapuze seines Mantels übers Gesicht, und sie machten sich auf den Weg die Straße entlang.
     
    »Natürlich kann es sein, dass sie Granby bereits nach Frankreich geschafft haben«, sagte Tharkay auf Chinesisch zu Laurence, während sie zusammen hinten auf einem Viehtreiberkarren saßen.
    »Ich hoffe, Bonaparte meidet die Marine«, entgegnete Laurence. Er kämpfte sich durch die schwierige Sprache, und er wusste, dass seine Aussprache sie beinahe unverständlich machte, trotz Temeraires früherer, unermüdlicher Versuche, ihn dabei zu verbessern. Aber wenigstens ermöglichte ihnen diese Sprache ein wenig Privatsphäre, die kaum zu durchdringen war, auch nicht von dem neugierigen Treiber, der sich für einige ihm zugesteckte Schillinge bereit erklärt hatte, sie zwischen seinem Vieh zu transportieren. Er war auf dem Weg zum Markt und hoffte, die Tiere dort verkaufen zu können, ehe sie konfisziert würden. Tharkay nickte. Wenn Napoleon London sicher genug in seinen Händen glaubte, oder zumindest Teile davon, sodass er ein Gefängnis eingerichtet hatte, dann bestünde die Möglichkeit, dass er lieber sichergehen wollte und seinen wertvollen Gefangenen dort einsperrte. Das wäre besser, als Granbys Tod zu riskieren, indem er ihn durch feindliches Feuer hindurch über den Kanal schaffte und dann möglicherweise mit einem zornentfesselten Kazilik-Weibchen klarkommen müsste, das sich dann gegen seine eigenen Truppen wenden würde. Laurence und Tharkay konnten zumindest auf einen kurzen Aufschub hoffen, während die Franzosen die Optionen abwogen und Granby so lange in der Nähe behielten. Sie konnten nur hoffen, denn eine andere Chance gab es nicht.
    Die letzten sich hinziehenden Meilen in Richtung Stadt zehrten an ihren Nerven, nachdem sie an diesem Morgen bereits fünfzig auf dem Drachenrücken zurückgelegt hatten, und es schien so, als hätte
sie das weit weniger Zeit gekostet. In den Vorläufern der Stadt klang es so, als seien sie bereits in einer Provinz Frankreichs angekommen. Zehntausende Soldaten waren damit beschäftigt, Lager aufzuschlagen und sich untereinander und den Drachen Bemerkungen zuzurufen. Die Tiere halfen ihnen dabei, Gräben auszuheben, Steine beiseitezuschaffen und sogar selbst die Straßen zu verbreitern. Die einheimischen Ladenjungen waren weitaus geschäftstüchtiger als patriotisch und rannten auf den Wegen des Lagers umher, um Nahrungsmittel und – viel beliebter – Getränke feilzubieten. Ihre hohen, durchdringenden Stimmen waren weithin zu hören, wenn sie mühevoll und mit schlechtem Akzent ihre wenigen Brocken Französisch hinausschrien: »Une frank, monser«, und »s’il voo plait«, aber es wurde mit jedem Ruf besser.
    »Er scheut sich nicht vor grundsätzlichen Veränderungen«, sagte Tharkay und wies mit dem Kinn auf Gebäude, die gerade neu errichtet wurden. Große Steine waren auf dem Boden ausgelegt und von den Drachen in die Erde gedrückt worden, um ein erhöhtes Podest zu erhalten, sobald Mörtel darübergegossen worden war und die Steine an den Ecken sich gesetzt hatten. Es gab keine Mauern an diesen Schutzbauten, aber als sie sich der Stadt noch weiter näherten, sah Laurence einen solchen Unterschlupf, der fertiggestellt war und bereits genutzt wurde: Auf drei Seiten schliefen Drachen, und Soldaten drängten sich in dem abgeschirmten Bereich in ihrer Mitte. So dürften sie es trotz des nahenden Winters warm haben, wärmer als die englischen Soldaten auf jeden Fall. Die Arbeit zeigte, dass sie sich auf eine lange Besatzung vorbereiteten. Napoleon plante keine unmittelbare Auseinandersetzung, wie Laurence

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