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Drachenwacht: Roman (German Edition)

Drachenwacht: Roman (German Edition)

Titel: Drachenwacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Naomi Novik
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und kaute an seinem eigenen Schaf. »Ist ja nicht so, als wenn wir die Rotröcke nicht mühelos wieder einholen würden, ohne dass sich irgendjemand darum schert, was wir getrieben haben.«
    »Du wirst es weniger angenehm finden, wenn wir dreißig Meilen zurückfliegen müssen, um Iskierka einzusammeln, und dann wieder sechzig zu unserem verabredeten Nachtlager«, sagte Laurence grimmig, und das war schon der beste Ausgang der Geschichte, auf den man hoffen konnte.
    »Hm«, sagte Requiescat und leckte sich gedankenverloren die Lefzen. »Das mag stimmen, aber ich verstehe nicht, warum wir sie überhaupt suchen müssen. Sie und diese Burschen wissen doch genauso gut wie jeder andere, wo der Treffpunkt ist, und sie haben ihre Leute und einen Kompass dabei, falls sie sich wie Schlüpflinge verirren sollten. Wir können doch einfach weiterfliegen und abwarten, bis sie uns einholen.«
    »Ihnen muss klar sein, dass wir sie vermissen, nachdem sie so lange verschwunden sind«, sagte Temeraire. »Ich schätze also, dass sie sich in einen Kampf gestürzt haben und vermutlich irgendwo herumliegen, den Bauch voller französischer Kugeln, und sterben.« Er klang nicht so, als fände er diese Vorstellung sonderlich bedauernswert.
    Wringe zuckte zusammen, als Temeraire ihr diese Worte unmissverständlich übersetzte, sagte aber noch immer nichts. »Temeraire«, flüsterte ihm Laurence zu, »es ist nicht so, dass sie einfach nur dumm ist. Sie stellt deine Autorität in Frage.«
    »Oh!«, stieß Temeraire aus, und nachdem er Wringe ebendies mitgeteilt hatte, fügte er hinzu: »Du wirst es mir nun also sagen, sonst…« Und als sie ihr Schweigen trotzdem nicht brach, holte er so tief Luft, dass sich seine Flanken blähten, und brüllte über ihren Kopf hinweg.
    »Payom zhe reng!«, rief Wringe, die sich flach auf den Boden kauerte, während alle anderen einen Satz zur Seite machten. Ein sanftes Prasseln wie Regen war auf Temeraires Schrei hin aus den Baumwipfeln entlang der Schneise zu hören. Zwischen den abgestorbenen Blättern hatten sich alte Eicheln gelockert, die nun zusammen mit einigen kleinen, toten Vögeln zu Boden plumpsten. Sofort machte sich Gong Su daran, die winzigen Leiber aufzusammeln, während Wringe ihr Geständnis murmelte: Die Übeltäter hatten sich auf den Weg zurück nach London begeben, weil sie vorhatten, einen Teil von Napoleons Armee dort zu überraschen und entweder Schätze oder anschließend Ehrungen zu erringen. Sie hatten kein genaues Ziel vor Augen; die Lust auf einen Kampf hatte sie mindestens ebenso getrieben wie die Aussicht auf spätere Belohnung.
    »Wir sollten weiterfliegen und abwarten, bis sie uns einholen«, sagte Temeraire, der ein wenig schnaufte und zerzaust und zornig aussah, »genauso, wie Requiescat es vorgeschlagen hat. Nur dass ich zu behaupten wage, dass Iskierka mit zwei Adlern zurückkommen wird oder mit etwas Vergleichbarem, und dann kann man sie überhaupt nicht mehr ertragen.«
    Laurence wollte nicht laut Unheil heraufbeschwören, aber wenn Iskierka sich gegen Granby durchgesetzt hatte, sodass sie sogar zur Deserteurin wurde, dann war es höchst unwahrscheinlich, dass sie noch zu bändigen gewesen sein sollte, und er hielt Temeraires frühere Vorhersage für die weitaus wahrscheinlichere.
    Aber Temeraire begann kurz darauf zu strahlen und fuhr fort: »Auf jeden Fall kann uns doch wohl keiner einen Vorwurf machen, wenn wir ihr hinterherfliegen, um sie zu suchen, oder, Laurence? Schließlich ist sie doch sehr wichtig – jedenfalls behaupten das alle.«
     
    Die Straßen unter ihnen waren leer, als sie wachsam und eilig nach London zurückflogen. Die Staubwolke, die die englischen Soldaten aufgewühlt hatten, legte sich bereits, und es gab keinerlei Anzeichen für eine französische Verfolgung. Es ließ sich kaum jemand vor den Türen sehen, außer Bauern und Hirten bei ihren Herden: Vieh und Getreide kümmerten sich weder um Napoleon noch um Politik und verlangten unabänderlich die gleiche Aufmerksamkeit. Aber selbst diese wenigen Männer draußen hielten die Köpfe gesenkt und gingen ihrer Arbeit so rasch wie möglich nach; später am Nachmittag schien die Landschaft beinahe ausgestorben, und auch die Sonne schien sich ungeduldig dem Untergang entgegenzusehnen.
    »Wir sollten sie schon meilenweit vorher sehen, wenn sie sich wie gewöhnlich aufplustert«, sagte Temeraire ungnädig. Dann stellte er seine Halskrause auf: Aus der Ferne näherte sich ein kleiner Fleck, der sich aus

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