Drachenwächter - Die Prophezeiung
Cohm hatte die Hände im Schoß gefaltet, und lange Zeit betrachtete er sein Gegenüber. Seld bemerkte, dass Alemas Vater abgemagert und blass war, nur in den Augen stand die Kraft, die er vor vielen Jahren gefürchtet hatte. Seine dünnen Beine zeichneten sich unter der Decke ab.
Der Vater bemerkte Selds Blick. »Ich werde niemals wieder laufen können«, sagte er. »Ein Unfall.«
»Das tut mir Leid.«
»Ich möchte nicht von mir reden.« Er bewegte seine rechte Hand, als wollte er eine Fliege verscheuchen, dann legte er die Hand wieder in den Schoß. »Habt ihr alle euer Dorf verlassen?«
»Ja«, antwortete Seld, »Hequis steht leer. Wir sind den Drachen bis nach Klüch gefolgt.«
»Und nun? Die Drachen sind nicht mehr hier.«
Seld zögerte mit einer Antwort. Konnte er Galen Cohm vertrauen? Er durfte nicht riskieren, dass der Herrscher vom Vorhaben der Hequiser erfuhr, doch dies war nicht mehr derselbe Mann, der Seld damals am liebsten getötet hätte. »Wir werden weiter den Drachen folgen.«
Galen nickte. »Das habe ich vermutet. Wir sind nun in großer Gefahr, nicht wahr?«
»Ja.« Hinter Seld kam Mesala wieder zurück ins Zimmer. Sie hatte sich gewaschen und frische Kleidung angezogen. Ihr Vater sah sie an, wie sie im Türrahmen stand. Dann wanderte sein Blick zu Seld. »Ich war ein Narr«, flüsterte er. »Und ich trage Schuld am Tod von Alema.«
Seld wollte etwas erwidern, doch Galen redete leise weiter. »Ich habe keine Kraft mehr und werde nicht fliehen können, wenn die Dämonen kommen. Ich bitte dich, mir meine Torheit zu vergeben und Mesala mit dir zu nehmen, wenn Gefahr aufzieht.«
Seld beugte sich nach vorne. »Ich verspreche es.«
Als Ark sich den Wagen der Hequiser näherte, kam Quint zu ihm geeilt. »Die Kalus-Familie will uns verlassen.«
Arks Gedanken hatten noch bei Seld geweilt. »Wie?« Er sah nun, wie die Kalus-Familie ihren Wagen belud. Eine Gruppe Hequiser stand tuschelnd in der Nähe.
»Sie wollen in die Südländer gehen und warten, ob die Dämonen wirklich kommen. Wenn nicht, möchten sie nach Hequis zurückkehren. Und einige andere Familien überlegen, sich ihnen anzuschließen.« Quint stemmte die Hände in die Seite. »Ich weiß nicht, was ich tun soll.«
»Nun – du bist der Vorsteher von Hequis. Du kannst weiter den Drachen folgen, wie es der Rat beschlossen hat, aber du kannst niemanden zwingen, dies zu tun.«
Quint dachte nach und nickte dann. »Wer gehen will, kann gehen.«
»Ja. Wir haben ein Schiff gefunden und können bald an Bord.«
»Das sind gute Nachrichten«, sagte Quint.
Mesala führte Seld wieder hinab zur Straße. »Worüber habt ihr gesprochen?«, fragte sie.
»Über Alema«, antwortete Seld. »Dein Vater hat sich sehr verändert. Liegt das nur an seinem Unfall?«
»Nein. Schon einige Zeit davor war ihm wohl bewusst geworden, dass sein Urteil über Alema und über dich falsch war. Meines auch. Ich möchte mich dafür entschuldigen, dass ich dich geschlagen habe. Zu sehr war ich an das alte Urteil gewöhnt, das ich über dich gefällt hatte.«
»Das war nichts, was dir Leid tun muss.«
Schweigend traten sie auf den Anleger hinaus. »Du kennst die Drachen, Seld. Mir ist etwas Seltsames widerfahren, das ich nicht verstehe. Als die Drachen über Klüch flogen, hörte ich eine Stimme, die mir befahl, den Drachen zu folgen.«
Er packte sie bei den Schultern. »Wurde dir schwindlig? Hattest du das Gefühl, dass dein Geist deinen Körper verlässt?«
»Ja ...«
Seld starrte sie mit unendlicher Verwunderung an. »Dann –«, begann er.
Hinter Seld näherten sich stampfende Schritte. »Seld Esan?«, fragte eine schneidende Stimme.
Seld wendete sich um und sah sich einem Hauptmann der Wache des Herrschers gegenüber, hinter dem sechs Soldaten mit gezückten Schwertern standen. Er nickte.
»Im Namen von Talut Bas – du bist verhaftet.«
Kapitel 14 D as Ende von Klüch
In der Zelle war es feucht, dunkel und es stank.
Sie befand sich in den Katakomben des Herrscherpalastes, und der Weg dorthin hatte über enge Wendeltreppen hinab und durch verwinkelte Gänge geführt. Erhellt wurde die Zelle nur von einigen Fackeln, die im Gang jenseits des Gitters hingen. Seld ließ sich auf die Strohballen in der hinteren Ecke fallen, zog die Knie an und rollte sich zusammen.
»Ark Sibin!«
Erst als er den Ruf zum dritten Mal hörte, erkannte Ark, dass jemand seinen Namen rief, und er hielt Ausschau, woher die Stimme kam. Es war die Frau, die Seld für Alema
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