Drachenwege
darf?«, vergewisserte er sich atemlos. Behutsam streckte er seine Hand aus.
Die Königin leckte die Hand mit ihrer trockenen, rauen Zuge, ehe sie ihm den Kopf zuneigte und dann mit dem Maul auf die Eier wies.
»Das ist zu gütig, meine Wachwherkönigin«, bedankte er sich demütig und gab ein melodiöses Trällern von sich. Er vermochte sein Glück kaum zu fassen.
»Soll ich kommen und dich retten? Brauchst du vielleicht Hilfe?«, rief Aleesa von draußen.
»Sie hat mir ihr Gelege gezeigt«, gab Kindan mit gedämpfter Stimme zurück.
»Das bedeutet, dass sie dir eines ihrer Eier überlässt, junger Mann. Such dir eins aus, verabschiede dich von der Königin und verlass die Brutstätte. Hier warten noch andere Bewerber, die ihr Glück versuchen wollen.«
Bei der Vorstellung, tatsächlich ein Wachwherei mit nach Hause nehmen zu dürfen, schnürte sich Kindans Kehle zusammen. Doch für welches sollte er sich entscheiden? Er zögerte, bis ihm ein Abzählreim für Kinder einfiel. Nun, warum nicht? Mit dem Finger auf die einzelnen Eier des Geleges zeigend, skandierte er:
»Eins, zwei, drei, alt ist nicht neu, neu ist nicht alt, heiß ist nicht kalt, kalt ist nicht heiß, schwarz ist nicht weiß, hier ist nicht dort, du musst jetzt fort!
Eins, zwei, drei, du bist frei, vier, fünf, sechs, du bist weg, sieben, acht, neun, du musst es sein!«
Sein Finger deutete auf das Ei mit dem sonderbar aufgewölbten Kranz.
Er umschlang es mit beiden Armen. Es wog mehr, als er gedacht hatte, und es fühlte sich warm an, doch der Sand, der in einer dicken Schicht auf dem Boden der Brutstätte lag, war gleichfalls warm. Die Schale schien ziemlich hart zu sein, so dass er seinen Griff festigte, ohne befürchten zu müssen, den fast ausgereiften Em-bryo darin zu verletzen. Beladen mit seiner unhandli-chen Last tapste er unbeholfen ein paar Schritte zurück.
Zum Abschied trällerte er die Tonfolge, die Dankbarkeit ausdrückte.
»Ist etwas passiert?«, rief jemand von draußen.
»Nein, es ist alles in Ordnung«, jubelte Kindan und kroch durch den Felsspalt ins Freie. Das letzte Stück war er auf den Knien gerutscht, und nun packten ihn kräftige Arme und richteten ihn auf.
»Los geht's, jetzt bist du an der Reihe, Losfir«, verkündete Aleesa munter und bedeutete einem gedrun-genen, stämmigen Mann, sich durch den Felsspalt zu zwängen. Die Wachwhermeisterin schmunzelte, als sie Kindan ins Auge fasste, und ihre Miene drückte eine Mischung aus Anerkennung und Überraschung aus.
»Wie ich sehe, hast du dich für das Ei mit dem Ring entschieden. Eine gute Wahl.«
»Warum? Ist es etwas Besonderes?«, fragte Natalon.
»Allerdings«, betonte Aleesa, ohne sich jedoch zu einer Erklärung herabzulassen. »Du wusstest, wie man mit der Königin spricht, Junge. Das hast du gut gemacht.« Ihr Lächeln zog sich in die Breite, und sie schaute horchend zum Höhleneingang hin, aus dem scharrende und hektische Geräusche drangen. Schadenfroh lachte sie leise in sich hinein. »Dieser Mann hat nicht die geringste Ahnung, wie er sich verhalten soll.«
Sie musterte Kindans rechte Hand. »Du warst klug ge-
nug, um auf die Königin einzugehen und ihr etwas zu zeigen, das sie milde gestimmt hat.«
»Was denn? Was hast du ihr gezeigt?«, wollte Natalon wissen, der sich ärgerte, weil Aleesa in Rätseln sprach.
»Kindan soll dir alles in Ruhe erzählen. Ich muss mich um die anderen Bewerber kümmern. Du sorgst dafür, dass ich mit der nächsten Handelskarawane, die dieses Weges zieht, die versprochene Kohle bekomme, andernfalls lernst du mich kennen, Natalon. Und nun trollt euch, ihr fangt an, mich zu langweilen.«
Kindan ahnte, dass er diese Bemerkung nicht persönlich nehmen durfte. Er half, das Ei in dem mit Schafsfell gefütterten Beutel zu verstauen, in dem es transportiert werden sollte.
»Wie lange wird es noch dauern, bis der junge Wachwher schlüpft?«, wandte er sich an Aleesa, da er glaubte, er sei zu dieser Frage berechtigt.
Prüfend legte sie eine Hand auf das Ei. »Hmmmm.
Innerhalb der nächsten Siebenspanne ist es so weit, würde ich sagen. Vielleicht schon früher. Sobald ich höre, dass die ersten Wachwhere schlüpfen, lasse ich euch durch meinen Trommler Bescheid geben.« Sie streichelte ein paarmal über das Ei, als fiele es ihr schwer, es abzugeben.
»Da wäre noch etwas, das ich unbedingt wissen muss«, sagte Kindan, als Aleesa sich zum Gehen anschickte.
»Ja?«, erwiderte sie und blieb stehen. Ihrer Miene entnahm er,
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