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Drachenwege

Drachenwege

Titel: Drachenwege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCaffrey
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plötzlich ihr Herz ausschüttete, weil sie sich einfach jemandem anvertrauen musste. Und ein Gefühl sagte ihm, dass sie lieber ihn, Kindan, in ihre geheimsten Empfindungen einweihte als Zenor. Vielleicht hatte sie Angst, ihm solche privaten Dinge zu erzählen.
    Er suchte nach ein paar tröstenden Worten. »Aber
    deine kleine Schwester, Larissa ...«
    »Es ist noch zu früh, um sich in Sicherheit zu wiegen«, wandte sie ein. »Bis ich drei Umläufe alt war, konnte ich auch sehen, danach verlor ich nach und nach das Augenlicht. Ich sah alles verschwommen, der Zustand verschlechterte sich, und nun bin ich blind.«
    »Weiß Tarik Bescheid?«
    »Ich glaube schon. Das scheint auch der Grund zu
    sein, warum mein Vater ihn überhaupt noch im Camp
    duldet. Er befürchtet, Tarik könnte das Geheimnis verraten. Obendrein macht mein Vater sich Sorgen, was einmal aus mir werden soll. Welcher Mann würde mich schon heiraten ...?«
    »Zenor.«
    »Ach, der!«, schnaubte Nuella. Kisk rieb sachte den Kopf an ihrer Schulter, und aus dem Maul klangen be-ruhigende Laute.
    Kindan, dessen Gehör schärfer geworden war, seit
    Nuella ihn immer wieder auf Geräusche aufmerksam
    machte, die er früher ignoriert hatte, stutzte. »Nuella, weinst du?«
    »Nein«, gab sie zurück, doch Kindan hörte die Trä-
    nen in ihrer Stimme. »Warum sollte ich? Es geht mir gut. Mir fehlt doch nichts. Ich brauche ja nicht zu heiraten, denn ich kann sehr wohl für mich selbst sorgen.
    Schließlich habe ich Pläne für meine Zukunft.«
    »Welche Pläne?«
    »Das verrate ich dir nicht. Keine Bange, ich komme auch allein zurecht.«
    Kindan war sich ziemlich sicher, dass Nuella keinerlei Pläne gemacht hatte. Er wollte sie trösten. »Nuella, ich werde stets dein Freund sein. Kisk und ich sind immer für dich da.«
    »Wie stellst du dir das vor?« Nuella hob den Kopf
    und wischte sich die Augen. »Wie kannst du so etwas versprechen? Angenommen, es gibt wieder ein Grubenunglück, und du und Kisk kommt ums Leben. Was dann?«
    »Wir werden aber nicht sterben«, behauptete Kindan mit Nachdruck. »Wenn ein Stollen einstürzt, begeben Kisk und ich uns nach draußen. Danach retten wir die anderen Kumpel, Zenor, Dalor, alle, die Hilfe brauchen.«
    »Bringt euch nicht in Lebensgefahr wegen Zenor«,
    warf Nuella ein. Kindan streckte die Hand aus und
    wischte ihr die Tränen von den Wangen. Sie nahm seine Hand, hielt sie fest, und mit der freien Hand rieb sie sich das Gesicht trocken. »Danke«, flüsterte sie. »Es geht schon wieder. Aber manchmal ... Ach, ich wünschte mir, ich könnte sehen.« Bedauernd verzog sie das Gesicht. »Ich würde zu gern beobachten, was für eine Miene Zenor aufsetzt, wenn ich ihn ärgere. Ich kann es spüren, wenn er aufgebracht ist und rot anläuft - dann strahlt er mehr Wärme ab als sonst - doch ich bin mir nicht sicher, ob es dasselbe ist, wie wenn ...« Sie verhaspelte sich, und ein abwesender Zug machte sich auf ihrem Gesicht breit. »Dabei fällt mir etwas ein.
    Irgendwie fühle ich es, wenn Zenors Wangen sich erhitzen - ob Kisk es wohl auch wahrnimmt?«
    »Tja, ich weiß nicht...«
    Nuella schüttelte den Kopf. »Ich will damit nicht
    sagen, dass sie etwas spürt, so wie ich. Aber vielleicht kann sie mit ihren überempfindlichen Augen etwas sehen.«
    »Hitze kann man doch nicht sehen«, hielt Kindan ihr entgegen.
    »Woher willst du das wissen? Mit ihren großen Augen sieht sie selbst im Stockfinstern, wo kein Mensch mehr etwas erblicken könnte.«
    »Das ist etwas völlig anderes«, meinte Kindan.
    Nuella wiegte bedächtig den Kopf. »Da bin ich mir
    nicht so sicher. Möglicherweise sieht sie ja gar kein Licht, sondern Wärme. Deshalb meidet sie den hellen Tag, weil sich draußen alles aufheizt und es ihr vor-kommt, als schaute sie direkt in die pralle Sonne.«
    »Eine höchst interessante Theorie«, sagte plötzlich eine Männerstimme.
    *
    In dieser Nacht kontrollierte Renna den Ausguck auf dem Berggipfel. Sie war sehr stolz gewesen, als sie Kindans Aufgaben übernahm, weil der sich um den Wachwher kümmern musste. »Du bekommst die Stelle
    nicht, weil du Zenors Schwester bist«, hatte er ihr erklärt, als der Tausch stattfand. »Sondern, weil wir dich für zuverlässig halten. Ich bin fest davon überzeugt, dass du deine Sache sehr gut machen wirst.«
    Renna wusste, dass sie sich bewährt hatte. Nun war sie dafür verantwortlich, die Wachen einzuteilen und dafür zu sorgen, dass jeder zum richtigen Zeitpunkt beim Ausguck erschien.

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