Drachenwege
Zenor ihren beseligten Ausdruck sah. Beide gaben sich den Anschein, als täten sie lediglich Kindan einen Gefallen, als sie ihre Plätze auf der Tanzfläche einnahmen.
Meister Zist gesellte sich zu Kindan auf das Podium und spielte auf seiner Fiedel eine ausgelassene Weise, die die Tänzer anspornte. Mit zufriedener Miene sah Kindan zu, wie Nuella und Zenor zusammen mit den anderen Paaren durch den Saal wirbelten, wobei das Mädchen gelegentlich einen leisen quietschenden Schrei ausstieß, wenn Zenor ihr in seinem Eifer auf die Füße trat.
»Die beiden sind zu jung, um ein Paar zu sein, und du bist zu jung, um den Kuppler zu spielen«, zischelte der Harfner Kindan ins Ohr, als die Melodie geendet hatte.
»Sie sind doch nur Freunde«, wiegelte Kindan ab.
»Und es gehört sich doch so, dass auf einem Fest getanzt wird.«
Außer Atem, aber glücklich kehrte Nuella auf das
Podium zurück.
Meister Zist bedachte Kindan mit einem bedeutungs—
vollen Blick und schickte ihn dann fort. »Du machst jetzt eine Pause, derweil diese junge Dame und ich zum nächsten Tanz aufspielen.«
Kindan nickte ihm zu und begab sich an den Tisch
mit den Speisen. Von Millas Leckereien war nichts
mehr übrig, und auch sonst gab es nicht mehr viel zu essen. Doch jeder konnte sich noch nach Herzenslust mit frischem, gekühltem Wasser, warmem Gewürzwein
und heißem Klah bedienen. Kindans Magen knurrte,
und er vertilgte gierig einen Teller mit Gemüse. Danach erfrischte er sich mit Wasser, und erst als sein Durst ge-stillt war, gesellte er sich wieder zu den Feiernden.
Es freute ihn, dass sein Gesang den Leuten gefallen hatte, und von allen Seiten heimste er Lob ein. Aber er wusste, dass Meister Zist mehr von ihm verlangte, als sich zu seiner angenehmen Stimme beglückwünschen zu lassen, deshalb schlendert er wie zufällig zu einer Gruppe von Leuten, die ihm bereits vom Podium aus
aufgefallen war.
»Der Wachwher ist also nicht mitgekommen?«, hörte
er jemanden fragen. »Und wenn schon, wir brauchen
hier keinen. Von diesen Viechern habe ich noch nie viel gehalten.« Kindan trat näher an die Männer heran und merkte, dass es Panit war, der diese abfällige Äußerung von sich gegeben hatte. Panit war einer von den beiden Männern, die ständig mit Tarik zusammengluckten.
Die anderen Kumpel schienen sich dieser Meinung
nicht anzuschließen. Ein paar spekulierten, warum der Bergwerkslehrling, dem der Wachwher zugeteilt war, nicht mit der Karawane gekommen war. Kindan hörte
einen besorgten Unterton heraus.
»In letzter Zeit gab es viel zu viele Unglücke«, knurrte einer der Männer. »Dauernd stürzen Stollen ein.«
»Und was sollte ein Wachwher daran ändern?«, hielt ihm Panit entgegen. »Sowie man eines dieser Viecher mit in den Pütt nimmt, verführt das die Kumpel dazu, nachlässig zu werden. Sie verlassen sich darauf, dass der Wachwher schon rechtzeitig Alarm schlägt, und geben nicht mehr selbst Obacht. Ich kann es nicht genug wiederholen, aber ich finde, dass wir ohne einen
Wachwher besser dran sind.« Er legte eine Pause ein, um die volle Aufmerksamkeit seiner Kollegen auf sich zu ziehen. Dann fuhr er fort: »Aber ich wundere mich, aus welchem Grund Natalon so erpicht darauf ist, einen Wachwher zu halten.«
Tief in Gedanken versunken stahl Kindan sich davon.
Er wusste, wie wichtig Wachwhere für die Sicherheit eines Bergwerks waren. Splitter und Scherben! Hatte Panit nicht zu den Kumpeln gehört, die Dask aus der Grube geborgen hatte, nachdem die Firste eingestürzt war? Und außer Panit schienen die Bergleute nichts gegen den Einsatz eines Wachwhers einzuwenden haben. Wieso sträubte sich Panit so sehr dagegen, diese zusätzliche Sicherheitsmaßnahme zu ergreifen?
Kindan grübelte weiter. Aus irgendeinem Grund
wollte Panit den Eindruck erwecken, Natalon sei zu faul, selbst für Schutz in der Grube zu sorgen. Und wenn die Bergleute erst einmal davon überzeugt waren, dass ihr Obersteiger nicht für ihre Sicherheit sorgen konnte, würden sie vielleicht abwandern und das Camp verlassen.
*
Nach der Feier, als Meister Zist und Kindan sich wieder in ihrem Cottage einfanden, rief der Harfner den Jungen zu sich ins Arbeitszimmer.
Meister Zist leitete das Gespräch mit einem Lob ein.
»Nuella und du, ihr habt wunderbar zusammen musiziert. Meinen Glückwunsch.«
»Danke.«
»Demnächst werde ich dir ein paar neue Lieder beibringen«, fuhr der Harfner fort. »Ich finde, es ist an der Zeit, dass wir beide ein Duett
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