Drachenwege
nicht...«
»Wahrscheinlich denkst du, er dürfte nichts vor dir verheimlichen, eben weil er dein Freund ist, hab ich Recht?«
Kindan runzelte die Stirn. »Eigentlich schon ...«
»Aber jetzt weißt du wenigstens mit Bestimmtheit,
dass alles, was du ihm im Vertrauen erzählst, bei ihm gut aufgehoben ist. Nicht einmal mir würde er etwas sagen, wenn er dir Stillschweigen geschworen hat«, er-klärte Nuella.
Kindans Miene erhellte sich, doch dann stutzte er.
»Moment mal! Du hast die Steine geworfen, als wir
Dask gebadet haben! Du hast uns gewarnt. Aber woher wusstest du, wo wir waren und was wir vorhatten?«
»Keine Sorge, Zenor hat dich nicht verpetzt. Aber
unsichtbar machen könnt ihr euch auch nicht.« Nuella kicherte. »Und vor allen Dingen wart ihr schrecklich laut. Ich kann zwar nicht sehen, aber von allen Leuten im Camp habe ich das beste Gehör. Und die empfind-lichste Nase.«
Als Kindan keine Antwort gab, fuhr Nuella fort: »Ich hörte, wie du dich mit Zenor unterhieltest. Ich verstand jedes Wort. Am liebsten hätte ich euch geholfen, aber ich war nicht dazu aufgefordert, und da keiner von mir wissen darf, konnte ich euch auch nicht fragen. Deshalb ...«
»Deshalb verstecktest du dich und hast uns be—
lauscht«, beendete Kindan für sie den Satz. Er schenkte ihr ein strahlendes Lächeln, bis ihm einfiel, dass sie ihn ja nicht zu sehen vermochte. Doch dann streckte sie die Hand aus und berührte mit den Fingern seine Lippen.
»Die Leute glauben, dass man es nicht hört, wenn
jemand lächelt«, sagte sie, sanft den Schwung seines Mundes ertastend. »Vielleicht ist hören auch nicht der richtige Ausdruck, aber irgendwie spüre ich es, welche Miene jemand aufsetzt, wenn er mit mir spricht.« Sie zog ihre Hand zurück. »Ich hatte mir ausgemalt, du hättest ein angenehmes Lächeln. Und es stimmt.«
»Danke«, erwiderte Kindan verlegen. Unwillkürlich
fasste er sich an den Mund. »Aber jetzt muss ich wirklich los, die Feier wird gleich beginnen. Mal sehen, wie wir dich daran teilnehmen lassen können.«
Zum Schluss plünderte er die Kleidertruhe des Harfners. Eine bunte Jacke und ein Hut veränderten Nuella so sehr, dass sie als ein Mitglied der Handelskarawane durchging. Und ein oberflächlicher Betrachter hätte sie gut und gern für einen der Bergwerkslehrlinge halten können. Auf ihr Drängen hin rieb Kindan ihr Gesicht mit einem Nussöl ein, damit der Teint dunkler wirkte.
»Bring auf alle Fälle ein paar Flöten mit«, ermahnte sie ihn, als sie zur Tür hinausgingen.
»Ich kann nicht Flöte spielen«, bedauerte Kindan.
»Aber ich kann es«, entgegnete sie mit verschmitz—
tem Lächeln.
*
Sie trafen in der großen Festhalle ein, und als Erstes sahen sie Meister Zist und die Führerin der Handelskarawane, Tarri. Die beiden saßen an einem Tisch, vor sich einen Teller mit Millas feinstem Gebäck und Bechern voll heißem Klah.
Meister Zist bekam vor Verblüffung große Augen, als er Kindans Gefährtin erkannte. Kindan setzte eine
betont unbekümmerte Miene auf, die der Harfner mit einem ernsten Kopfnicken quittierte. Doch der Blick, den er seinem Schüler zuwarf, sprach Bände. Kindan sollte sich hüten, allzu übermütig zu werden.
Kindan half Nuella auf das provisorische Podium, das aus einem großen, stabilen Tisch bestand, führte sie zu einem Stuhl und stellte seine Trommeln auf.
»Ich würde gern hören, wie du Flöte spielst, Nuella«, sagte Kindan.
Nuella begann mit einer einfachen, aber lebhaften
Melodie. Meister Zist hob überrascht den Kopf, sah Nuella an und bedachte Kindan mit einem weiteren
durchdringenden Blick. Als das Lied zu Ende war, flüsterte Kindan dem Mädchen zu: »Das war wunderschön.
Kennst du noch mehr Melodien?«
»Die Weise, die ich gerade gespielt habe, beherrsche ich am Besten«, räumte Nuella ein. »Aber Meister Zist hat mir noch vier weitere Lieder beigebracht.«
Kindan nickte. »Nun, dann zeig, was du kannst. Ich fange mit dem Trommeln an, und wenn ich müde bin,
springst du mit deiner Flöte ein. Jedesmal, wenn ich drei Stücke getrommelt habe, bist du mit Spielen dran.
Glaubst du, dass du das schaffst?«
»Warum nicht?«, erwiderte Nuella. »Obwohl ich
noch nie so lange gespielt habe.«
»Du wirst feststellen, dass du sehr lange musizieren kannst, wenn du zwischendurch nur genügend Pausen
einlegst«, beteuerte Kindan. Nuella lächelte, und Kindan fiel auf, wie sehr sie ihrem Bruder ähnelte - nur dass sie viel hübscher war. Ihr
Weitere Kostenlose Bücher