Drachenwege
höchstselbst den Mund mit Seife auswaschen. Und ich verspreche, dass ich in deiner Gegenwart nie wieder Verwünschungen ausstoße.«
»Ich kann deinen Zorn gut verstehen«, wandte Natalon ein. »Mir ist noch nie ein derart aufgeblasener und unverschämter Drachenreiter begegnet. Wenn die alle so sind, dann ...«
Zist hob die Hand. »Sag lieber nichts gegen die Drachenreiter. Du kennst zu wenige.«
»Und wie bekommen wir nun das Ei des
Wachwhers?«, fragte der Steiger.
»Warte ab. Ich bin noch nicht mit meiner Weisheit
am Ende«, erklärte der Harfner. Dann richtete er das Wort an Kindan. »Hol die Flagge ein und lösch das Signalfeuer. Wenn du fertig bist, läufst du zu der Nachrichtentrommel. Ich warte dort auf dich.«
*
Nachdem Kindan diese Aufgaben erfüllt hatte, gab
Meister Zist ihm eine Botschaft, die er hinaustrommeln sollte. Die Nachricht war denkbar einfach. Sie lautete: »Zist ruft M'tal.« Eigennamen musste Kindan buchsta-bieren, deshalb fiel die getrommelte Botschaft ziemlich lang aus. Er wartete, bis er von den beiden nächsten Trommelstationen eine Bestätigung erhielt, dann eilte er zu dem Harfner, um ihm dies mitzuteilen.
»Was machst du hier?«, rief Zist, als er Kindan sah.
»Lauf sofort zu den Trommeln zurück und bleib dort, bis die Antwort eintrifft.«
»Da wäre noch etwas, Meister.«
»Was denn?«, schnauzte Zist.
»Könnte mir jemand mein Frühstück bringen?«
Der Harfner sog tief die Luft ein, um zum nächsten Donnerwetter anzusetzen, dann merkte er, wie blass der Junge aussah und blies den Atem geräuschvoll wieder aus. »Natürlich. Fürs Erste nimm schon mal dieses süße Brötchen mit.«
»Danke!« Kindan schnappte sich das süße Brötchen,
steckte es in seine Jacke und trottete den Berg hinauf.
»Ich lasse dir auch ein paar warme Kleidungsstücke bringen«, rief Meister Zist ihm hinterher. Im fahlen Licht der Morgendämmerung blickte Kindan an sich hinab. Er errötete, als ihm bewusst wurde, dass er dem ersten Drachenreiter, dem er begegnete, in seinem Nachgewand entgegengetreten war.
*
Später am Tag begab sich Meister Zist zum Ausguck, begleitet von einem jungen Burschen. Der übergab Kindan ein Bündel mit der versprochenen warmen
Bekleidung. Von einem Harfner zu verlangen, die
Sachen selbst zu tragen, wäre einer Beleidigung
gleichgekommen.
Kindan gab sich Mühe, nicht verlegen
dreinzuschauen, als er dem Jungen das Zeug abnahm
und unter seiner weiten Jacke versteckte. Es war ihm peinlich, dass er darunter nur sein Nachtgewand trug.
Meister Zist schien zu ahnen, was seinen Schützling bedrückte, und um die Neugier des anderen Jungen abzulenken, fragte er: »Nun, Kindan, wie fandest du deine erste Begegnung mit einem Drachen?«
In der Tat starrte der Bursche Kindan mit ehrfurchts-vollem Staunen an, doch der antwortete zu Meister Zists Verblüffung: »Ach, so ein Drache ist ja wunderschön, aber ich könnte nicht viel mit ihm anfangen, denn für ein Bergwerk ist er viel zu groß.«
*
Jemand rüttelte Kindan wach. Verstört riss er die Augen auf und merkte, dass er auf seinem Posten am Ausguck eingenickt war. Es war tiefe Nacht. Das
Signalfeuer brannte noch lichterloh, weil Kindan
Feuerholz nachgelegt hatte, und daraus schloss er, dass er höchstens ein, zwei Stunden geschlafen haben konnte.
Die Person, die ihn geweckt hatte, trug lederne Kleidung - es handelte sich um einen Drachenreiter.
»Mein Lord«, grüßte Kindan geistesgegenwärtig und
verbeugte sich andeutungsweise. Über ihm ertönte ein leises Schnauben. Er drehte sich um, reckte den Kopf und erkannte die schattenhaften Umrisse eines Drachen, der ihn aus seinen großen Facettenaugen interessiert musterte. »Ich bin Kindan. Meister Zist trug mir auf, Wache zu halten ...«
Der Drachenreiter lächelte. Er war kein junger Mann mehr, Kindan schätzte, dass er ungefähr so alt sein musste wie Meister Zist. Das Licht von dem brennenden Holzstoß spiegelte sich auf den silbernen Strähnen in seinem Haar. Die Augen waren bernsteinfarben, und alles in allem sah er genauso aus, wie Kindan sich einen Drachenreiter vorgestellt hatte. Nur waren die Drachenreiter, die er sich in seiner Phantasie ausgemalt hatte, stets jünger gewesen.
»Nun, Kindan«, erwiderte der Mann, »dann lauf zu
Meister Zist und sag ihm, M'tal sei hier.«
»Das ist nicht mehr nötig«, rief eine Stimme aus dem Dunkel, und Kindan erschrak. »Und hör auf, so nervös herumzuzappeln, Junge, das macht dich nur müde.«
»Mir
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