Drachenwege
scheint, er ist bereits erschöpft«, warf M'tal ein.
Meister Zist trat in den Lichtkreis. »Das dachte ich mir«, bestätigte er, »deshalb kam ich hierher, um ihm ein wenig Gesellschaft zu leisten.«
»Bist du schon lange hier?«, erkundigte sich Kindan verdutzt.
»Ja, aber ich hielt mich ein wenig abseits. Ich wollte deinen Schlummer nicht stören«, entgegnete der Harfner vergnügt.
Beide Männer lachten.
»So verhält sich jemand, der es gewöhnt ist, Menschen zu führen«, erklärte M'tal. »Es kann niemals schaden, einen Wachposten hin und wieder zu überprüfen.«
Stirnrunzelnd wandte sich M'tal danach an den
Harfner. »Als ich deinen Ruf erhielt, war ich sehr erstaunt. Ich hatte angenommen, du seist in der Harfnerhalle. Bei der Gelegenheit möchte ich dir sagen, wie Leid es mir tut, dass du diesen Verlust erleiden musstest.«
»Danke«, antwortete Meister Zist ernst. Doch dann
wechselte er sogleich das Thema. »Ich freue mich, dass du gekommen bist. Ich möchte dich um einen Gefallen bitten.«
Fragend hob M'tal die Augenbrauen. »Diese ... diese
... Siedlung ...« Er brach ab und deutete auf die Ansammlung von Hütten im Tal.
»Es ist ein Bergabeitercamp«, half Zist aus.
M'tal nickte. »Dieses Camp ist Burg Telgar unterstellt, nicht wahr?« Dabei sah er Kindan an.
»So ist es, mein Lord«, bestätigte der Junge.
»Weyrführer D'gan war leider nicht bereit, uns zu
helfen«, sagte Zist. »Im Gegenteil, er hielt unser Ansinnen für eine Unverschämtheit und wollte seine kostbare Zeit nicht mit uns verschwenden.«
M'tal kniff die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. »Und wie lautet eure Bitte?«
»Obersteiger Natalon, der Leiter dieses Camps, bittet um einen Transport. Es geht darum, ihn selbst, mich und Kindan zu Aleesa, der Whermeisterin, zu bringen«, erläuterte Zist.
»Wieso Kindan? Einen Jungen?«, staunte der Drachenreiter.
»Die Whermeisterin erhält vom Camp Natalon den
Kohlenvorrat für einen Winter, wenn sie uns dafür das Ei eines Wachwhers überlässt. Kindan soll sich um das Tier kümmern.« Als Meister Zist merkte, dass M'tals Interesse geweckt war, fügte er hinzu: »Kindans Vater war in diesem Camp der Wachwher-Führer. Und nun soll der Junge in seine Fußstapfen treten.«
»Ich verstehe«, entgegnete M'tal. »Und wann soll das Treffen mit Aleesa stattfinden?«
»Es war bereits für gestern angesetzt«, grollte der Harfner.
*
»Was, gestern schon?«, empörte sich Natalon ein
Weilchen später und schlug mit der Faust auf den Tisch.
Sie befanden sich im großen Speisesaal des Camps.
»Gestern? Ich habe Kohle für einen ganzen Winter aufs Spiel gesetzt, und gestern lief die Frist für diesen Handel ab?«
M'tal war so klug gewesen, seinen Becher mit Klah
anzuheben, ehe Natalon seinen Wutausbruch bekam.
Doch Kindan und Meister Zist hatten nicht mit dieser heftigen Reaktion gerechnet. Als der kräftige Steiger mehrmals die Fäuste auf die Tischplatte niedersausen ließ, fingen ihre Becher an zu tanzen, heißes Klah spritzte heraus, beschmutzte ihre Hemden und tropfte auf den Fußboden. Auf einen Wink des Meisters hin holte Kindan einen Lappen und wischte das verschüttete Klah auf.
»Es gibt da ein paar Harfnerlieder ...«, begann Meister Zist, doch er verstummte, als Natalon ihn wutentbrannt anfunkelte.
»Meine Kumpel verweigern die Arbeit, wenn wir
nicht bald einen Wachwher bekommen«, fuhr Natalon
fort. »Beinahe hätte es wieder zwei Unfälle in der Grube gegeben. Und Tunnelschlangen haben sich über unsere Nahrungsmittelvorräte hergemacht. Dabei war ich bereit, Aleesa genug Kohle für einen gesamten Winter zu geben. Und das soll alles umsonst gewesen sein?«
»Keineswegs«, beschied ihn M'tal resolut. »Ihr
braucht einen Wachwher, und den sollt ihr kriegen.«
»Wie das?«, fragte Natalon.
»Es gibt ein paar alte Harfnerlieder«, setzte Meister Zist von neuem an, »welche die Lösung für unser Problem andeuten.«
Kindans Augen funkelten erregt, als er sich an das eigenartige Gespräch mit seinem Meister erinnerte. Es ging darum, dass Drachen durch die Zeit zu reisen vermochten.
»Es ist sicher nicht nötig, den Text dieser Lieder vor-zutragen«, wandte sich M'tal mit einem bedeutungs—vollen Blick an den Harfner.
Meister Zist neigte sein Haupt. »Ich kann mich kaum noch an die Verse erinnern, Weyrführer M'tal. Mein Gedächtnis ist auch nicht mehr das, was es einmal war.«
»Wie dem auch sei«, fuhr M'tal mit einem Augen—
zwinkern fort, »um
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