Drachenwege
und es gelang ihm, sich auf seinen Vortrag zu konzentrieren.
Doch Meister Zist merkte ihm seine Unruhe an und deutete verstohlen himmelwärts - es war Dask, der seine melodische Stimme ertönen ließ. Kindan lächelte breit, sang aus voller Kehle und modulierte die Weise, damit Dasks Schilpen und Trällern besser zur Geltung kam.
Das Lied endete mit den beiden Versen, mit denen es begonnen hatte:
»Am Morgenhimmel, stolz und leise, zieht ein Drache seine Kreise.«
Die Schlussnote ließ Kindan behutsam ausklingen.
Als seine Stimme verebbt war, gab Dask ein letztes, zufriedenes Zirpen von sich.
Eine große Hand legte sich auf Kindans Schulter, und Meister Zist verkündete: »Gut gemacht, Kindan.
Wirklich ausgezeichnet!«
Dann eilte Silstra herbei, umarmte und küsste ihn, derweil ihr Freudentränen über die Wangen strömten.
»Du warst wundervoll, Danke!«
Terregar schüttelte ihm die Hand, klopfte ihm auf den Rücken, und kurz darauf marschierten Braut und Bräutigam den Mittelgang zurück. Veran reichte Terregar eine brennende Fackel, und gemeinsam entzündete das junge Paar in einem feierlichen Akt den riesigen Holzstoß. Die daraus hervorlodernden Flammen sollten nicht nur dem neu geschlossenen Bund der Ehe Licht und Wärme bringen, sondern dem gesamten Camp eine günstige Zukunft bescheren.
Danach wurde gefeiert. Meister Zist und Geselle Jofri spielten eine flotte Tanzweise. Bei dieser Gelegenheit hörte Kindan zum ersten Mal eine Fiedel, und der lebhafte Klang dieses Instruments gefiel ihm sehr.
Als er von der Tribüne heruntersprang, verstellte ihm Kaylek den Weg. »Dad sagt, du sollst dir jetzt wieder Alltagskleidung anziehen.«
Unverzüglich lief Kindan nach Hause und zog sich hastig um. Auf dem Rückweg bemerkte er ein Mädchen in ungefähr seinem Alter, das neben einem Baum stand und hingebungsvoll der Musik lauschte. Dieses Kind hatte er noch nie zuvor gesehen, deshalb vermutete er, es sei mit der Handelskarawane gekommen.
»Was tust du hier?«, sprach er das Mädchen an. Er fühlte sich gut aufgelegt und hätte die ganze Welt umarmen können. »Möchtest du nicht zu den anderen gehen? Gleich wird auf der Bühne getanzt.«
»Ich tanze nicht«, entgegnete das Mädchen.
»Wie? Jemand, der mit den fahrenden Händlern um-herzieht, kann nicht tanzen?«, wunderte sich Kindan.
»Bei der Tochter eines Bergarbeiters könnte ich das noch verstehen, aber ihr Händler nehmt doch an vielen Festen teil. Oder hast du etwa Angst, auf einer Bühne zu tanzen?«
»Ich habe noch nie auf einer Bühne gestanden«, räumte das Mädchen ein.
»Sowie das Podium leer geräumt ist, beginnt das Tanzvergnügen«, erzählte er. »Und ich muss jetzt los und helfen, die Bühne frei zu machen.« Er winkte dem Mädchen noch einmal zu und schickte sich an, weiter zu gehen.
»Warte!«, rief das Mädchen.
Kindan blieb stehen.
»Könntest du mich mitnehmen?«
Kindan stutzte und sah die Kleine verblüfft an.
»Ich bin ein bisschen schüchtern«, erklärte sie verlegen. Sie streckte die Hand nach ihm aus. »Wenn du mich an die Hand nimmst...«
Am liebsten hätte Kindan Nein gesagt, doch sie schien sein Zögern zu spüren und fügte eilig hinzu: »Du brauchst nur meine Hand zu halten, bis wir dort sind.«
Sie atmete tief durch und ihr Gesicht nahm einen hungrigen Ausdruck an. »Das Essen riecht so gut.«
»Na schön«, gab Kindan nach und ergriff ihre Hand.
»Übrigens heiße ich Kindan.«
»Ich weiß - und ich bin Nuella«, erwiderte sie.
»Du kanntest meinen Namen?«, staunte Kindan. Als sie den vom Fackelschein erhellten Platz erreichten, konnte er die Züge des Mädchens deutlicher erkennen.
»Ich habe dich schon einmal gesehen! Du warst zusammen mit dem Harfner im Bergwerk. Du hast Glück, dass Natalon euch nicht erwischt hat, der hätte euch gehörig den Marsch geblasen!«
Nuella nickte und verzog das Gesicht. »Das kann ich mir gut vorstellen. Ich habe Angst, er könnte davon erfahren haben, deshalb wäre ich dir dankbar, wenn du mich von ihm fern halten könntest. Ich habe ihn noch nie gesehen und würde ihn deshalb nicht erkennen.«
Kindan dachte darüber nach, während sie auf den Festplatz zusteuerten. Auch er legte keinen Wert darauf, Obersteiger Natalon zu begegnen, denn er fürchtete, er könne ihm irgendeine Arbeit aufhalsen oder ihn auf Botengänge schicken. Und er hatte vor, am heutigen Tag jeder Unbequemlichkeit aus dem Weg zu gehen.
»Von mir aus gern«, entgegnete er. »Zuerst ergattern wir
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