Drachenzauber
die andere Menschen für kurze Zeit beherrschen können«, sagte Bastilla nachdenklich. So, wie Tosten zusammenzuckte, hatte er offenbar genauso wenig wie ich gehört, dass sie sich uns genähert hatte. Sie kam in ihrer blutbespritzten Le-derkleidung auf uns zu. »Aber um das zu tun, muss der Zauberer ziemlich nahe sein.« Etwas an ihrer Stimme klang falsch. Sie und Penrod waren Geliebte gewesen, aber sie wirkte so distanziert wie der Meister der Jagd, der einen Blick auf den Hirsch wirft, den er gerade erlegt hat.
Bastilla beugte sich über mich, um Penrod besser sehen zu können, und stützte sich dabei mit einer Hand auf meine Schulter. Ich erinnere mich an einen Ener-gieblitz, der sich zwischen uns sammelte, dann wurde mir schwarz vor Augen, und ich spürte nichts mehr.
12
CALLIS: BECKRAM
Kommandanten sind daran gewöhnt, Leute auf dem Schlachtfeld zu verlieren, aber für gewöhnlich gibt es dann eine Leiche.
Das Einzige, wofür Beckram sich begeis-
tern konnte, waren die täglichen Übungskämpfe mit Stala. Dabei konnte er sich auf den Kampf konzentrieren; die quälende Trauer und die Schuldgefühle traten in den Hintergrund, und es blieb nur diese Leere zurück, die sein Bruder ausgefüllt hatte. Stala ließ ihn nicht mit den anderen Männern kämpfen, sondern nur noch mit ihr selbst.
Sie zwang ihn, auf seine Verteidigung zu achten, indem sie ihn mit der flachen Seite ihrer Klinge schlug. »Wenn du das im Kampf tust, verlierst du einen Arm«, fauchte sie.
Er reagierte mit einem raschen Vorstoß und einer Reihe von Bewegungen, die sie ein paar Minuten zu sehr beschäftigten, als dass sie noch etwas hätte sagen können. Erst als sie ihn entwaffnete, erkannte er, dass er keinem Muster gefolgt war, und wenn einer seiner Schläge sie wirklich getroffen hätte, wäre sie tot gewesen. Was selbstverständlich der Grund war, wieso sie ihn nicht mehr mit anderen kämpfen ließ.
Er versuchte nicht, sein Schwert aufzuheben, sondern schwankte nur ein wenig auf den Füßen und konzentrierte sich darauf, nicht umzufallen. »Tut mir leid.«
»Versuchen wir es noch einmal.« Er bemerkte, dass sie nicht einmal schwer atmete.
Langsam griff er wieder nach dem Schwert und sah sie an.
»Ich werde deinem Vater nicht die Nachricht bringen, dass er noch einen Sohn verloren hat, Beckram.« Ihre Stimme war nicht unfreundlich. »Und wenn es dazu ein paar blaue Flecken braucht, dann ist das deine Wahl, nicht meine.«
Als sie mit ihm fertig war, taumelte er zu seinem Zelt und sackte auf seiner Decke zusammen.
Manchmal, wenn er so müde war, träumte er nicht.
Wenn ihn niemand störte, konnte er dann vielleicht eine ganze Stunde schlafen. Er schloss die Augen, aber nicht Schlaf kam zu ihm, sondern Nachdenken über seinen Vetter.
Alles in allem, dachte er, machte Wards plötzliche Gesundung von seiner Dummheit ihn noch unsympa-thischer. Statt eines Dummkopfs war er jetzt jemand, der Leute manipulierte. All diese Bemerkungen in der Öffentlichkeit, die bewirkt hatten, dass Beckram sich vor Verlegenheit wand, waren absichtlich gefallen. Nicht, dass er als Einziger darunter gelitten hatte.
Gegen seinen Willen musste Beckram grinsen, als er sich an die Miene von Lord Ibrims Witwe erinnerte, nachdem sie den Fehler gemacht hatte, sich Ward vor ein paar Jahren in aller Öffentlichkeit an den Hals zu werfen. Schon damals war Ward so groß gewesen wie ein ausgewachsener Mann. Beckram hatte sich an ihrer Verlegenheit gefreut, da sie am Abend zuvor nichts unversucht gelassen hatte, um Erdrick zu quälen. Sie und ihre Freundinnen hatten so lange über das Landei gekichert, das zu einem förmlichen Bankett mit einem Hemd mit einem Fleck erscheinen war, dass Erdrick, damals sechzehn, angefangen hatte zu weinen.
Beckrams Lächeln verging, als ihm klar wurde, dass Ward ebenfalls bei diesem Vorfall anwesend gewesen war. Hatte Ward Erdrick auf seine Weise verteidigen wollen? Er erinnerte sich an Wards Miene, als er ihm von Erdricks Tod erzählt hatte. Schockierter Kummer, dann ein Zorn, der die Augen seines Vetters so kalt aussehen ließ, dass sie kein bisschen mehr wie die einer Kuh wirkten.
Wenn er Ward erst in dieser Woche kennengelernt hätte, hätte er ihn gemocht. Gestern beim Abendessen hatte er erzählt, wie er aus Hurog geflohen war, und sie hatten alle Tränen gelacht - selbst Alizon. Als er nun im trüben Licht des Zelts lag, bezweifelte Beckram, dass es wirklich so komisch gewesen war. Wards gesamter Haufen sah
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