Drachenzauber
waren kaltherzige Wilde. Sie erinnerte sich, eine Truppe von Shavig-Männern gesehen zu haben, als sie noch ein Kind gewesen war. Sie hatten im Galopp auf ihren riesigen Pferden ein unglückliches Dorf angriffen, und ihr helles Haar war bei dem raschen Ritt hinter ihnen hergeweht. Tisala erinnerte sich an die Angst- und Schreckensschreie ihrer Landsleute. »Shavig!«, hatten die Barbaren gebrüllt. »Shavig.«
Shavig. Sie schauderte.
»Barbaren?« Ward lachte und schob sich sein ungewöhnlich helles Haar aus den Augen. »Tisala, wir sind störrisch, unbeliebt und rau. Aber wohl kaum Barbaren. Wir kochen unser Essen sogar … zumindest, wenn wir Zeit dazu haben.«
Ward von Hurog. Plötzlich stand ihr lebhaft ein Bild von ihrer letzten Begegnung vor Augen, sein Schwert rot von Vorsag-Blut. Er war stark, stark genug, um König Jakoven die Stirn zu bieten, wenn es sein musste. Und was wichtiger war, er hatte nichts mit der Rebellion des Halbbruders des Königs zu tun. Er lebte in einer Burg an der Küste, nicht zu weit von der tallvenischen Grenze entfernt. Sie würde sie sicher finden.
Sie konnte ihm sogar Informationen geben, die interessant für ihn wären - eine Art Bezahlung dafür, dass er ihr half.
Sie zog die Schuhe des alten Mannes an, um ihre Füße zu schützen, und nahm seinen Umhang von der Wand. Sie hätte auch seine Kleidung genommen, aber der Tod hatte mehr als nur Blut gebracht. Also wickelte sie den Umhang um ihren nackten Körper und kam zu dem Schluss, dass sie sich Kleidung stehlen konnte, bevor sie die Stadt verließ.
Sie öffnete die Tür und stieg eine lange Treppe hinauf, die zu einer anderen Tür führte. Als sie diese öffnete, erwartete sie, sich in einem Flur oder einem anderen Raum zu finden, aber stattdessen wehte ihr frische Nachtluft entgegen, und ein paar Steinstufen führten direkt in eine Gasse.
Der Mann, der vor der Tür stand, drehte sich nicht einmal um, sondern ließ den Blick weiter über die Dächer und die Schatten schweifen.
»Er wird es schon noch lernen, Meister Edelbreck.
Jungen werden erwachsen«, sagte er mit dem flachen, nasalen Akzent eines Bürgers von Estian.
Er lebte nicht lange genug, um zu begreifen, dass es nicht der Folterknecht gewesen war, der die Tür hinter ihm geöffnet hatte. Das Messer war sehr scharf, und Tisala nahm den Gürtel des Wächters und eine Scheide, um es einzustecken. Sein Messer war eher stumpf, mehr Esswerkzeug als Waffe, also ließ sie es am Boden neben ihm liegen. Das Schwert zurückzulassen war eine schwierigere Entscheidung.
Sie sehnte sich nach dem Trost seines Gewichts, aber in Tallven trugen nur Bewaffnete und Adlige Schwerter.
Also verschwand Tisala schwertlos im Irrgarten von Estian und hinterließ dabei keine Spur, der die Männer des Königs folgen konnten.
2
WARDWICK IN HUROG
Ich habe festgestellt, dass mir nach dem Ende der Ernte ein wenig Zeit bleibt, um alte Bekanntschaften zu erneuern und über Politik zu diskutieren.
»Du schummelst«, sagte Oreg, und
Schmerz trübte mein Sehvermögen und schwächte mich, bis die Flamme, die ich auf der Wasserschale brennen ließ, in einem traurigen, verblichenen Gelb aufflackerte und erstarb. »Ich habe dir doch gesagt, du sollst keine Magie aus Hurog beziehen - eines Tages bist du vielleicht irgendwo anders, wenn du Magie benötigst, und was dann?«
Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn und starrte ihn wütend an. Er sah mehr wie ein junger Mann mit dunklem Haar und helllila Augen aus denn wie ein alter Drache, aber der Schein kann trügen -
etwas, was ich selbst oft recht nützlich gefunden hatte. Oreg machte einen jungen und verwundbaren Eindruck, und ich wirkte groß und dumm. Nichts davon entsprach der Wahrheit.
Oreg ignorierte meinen Zorn und nickte zu der Schale hin. »Versuch es noch einmal, Ward.«
Er hielt den Schild aufrecht, der mich von der Magie von Hurog trennte, und der Schmerz machte es mir schwer, die Macht, die mir geblieben war, heraufzubeschwören. Es tat weh, die Verbindung zu Hurog zu verlieren.
»Konzentration, Ward.«
In den vergangenen Jahren hatte ich gelernt, dieses Wort zu hassen. Aber mit Oreg an meiner Magie zu arbeiten, war auch eine Art von Zuflucht, wenn der Druck, Herr von Hurog zu sein, zu stark wurde. Es ist nicht einfach, eine Burg wiederaufzubauen.
Technisch gesehen gehörte Hurog, Land wie Burg, meinem Onkel Duraugh. Aber vor vier Jahren hatte mich mein Onkel an Stelle meines verstorbenen Vaters zum Hurogmeten ernannt.
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