Drachenzauber
noch nicht das Durchhaltevermögen.«
»Ich hoffte, dass du deshalb etwas unternehmen könntest.« Sie kam näher, als sie weitersprach, und ich holte noch einmal tief Luft, bevor ich mich bremsen konnte; Flieder, ja, genau, danach roch sie. »Es geht nicht nur um die körperliche Gefahr, in die er sich begibt - die Zeit im Asyl hat ihn zutiefst misstrauisch werden lassen. Wenn er nicht einmal mehr Rosem traut, wem dann? Ein König, der niemandem vertraut, ist schwach.«
»Warum kommst du damit ausgerechnet zu mir?«, fragte ich. »Er wird eher auf meinen Onkel hören -
und Beckram stand ihm ebenfalls einmal nahe. Oder Garranon.«
»Ich habe Garranon heute Früh noch nicht gesehen
- aber ich denke auch nicht, dass Reden helfen wird.
Jemand wird ihm zeigen müssen, dass er noch nicht bereit für einen ernsthaften Kampf ist.«
»Du willst, dass ich meinen zukünftigen König angreife?«, fragte ich ungläubig. »In der Hoffnung, dass ich damit beweise, dass Rosem recht hatte, und er sich künftig auf Rosems Urteil verlässt?«
Sie lief rot an, ganz ähnlich wie eine Woche zuvor, als ich mein Hemd ausgezogen hatte, als sie sich uns bei Stalas täglichen Übungskämpfen angeschlossen hatte. Ich hatte gefroren, als ich ohne Hemd wei-tergekämpft hatte, aber Tisala erröten zu sehen, war es wert gewesen. Diesmal war es nicht Verwirrung, sondern Zorn, der ihre Wangen zum Glühen brachte.
»Beckram könnte ihn schlagen - ich könnte ihn schlagen«, fauchte sie und brachte meine Aufmerksamkeit wieder aufs Thema zurück. »Aber das würde ihn nur demütigen. Von einem Mann von deinem Ruf und deiner Größe geschlagen zu werden, ernied-rigt hingegen niemanden - es könnte ihm aber genügend Vernunft beibringen, dass er sich anhört, was du zu sagen hast.«
So ausgedrückt, klang es recht sinnvoll.
»Ich werde tun, was ich kann.«
Ich konnte vor allem mit meiner Tante sprechen. Stala würde wissen, wann und wo Kellen übte. Wenn ich mit ihm kämpfte, dann müsste es weit entfernt von den Leuten sein, die mich vielleicht aufhalten würden - wie mein Onkel.
Ich fand Stala in ihrem Zimmer in dem neu errichteten Gebäude der Blauen Garde. Die mit Haut be-spannten Fenster hielten die Kälte des frühen Win-termorgens nicht wirklich fern, aber das Feuer im gemauerten Kamin war warm.
»Was hast du denn mit ihm vor?«, fragte meine Tante, ohne von ihrer Handarbeit aufzublicken.
»Ich werde ihm die gleiche Art Lektion erteilen, wie du sie mir so oft erteilst«, sagte ich. »Ich würde es dir überlassen, aber sein Ego ist erschüttert. Von jemandem geschlagen zu werden, der einen Kopf größer und viele Kilo schwerer ist, wird ihm nicht so wehtun. Wenn ihn aber eine Frau besiegt, die halb so groß ist wie er und seine Mutter sein könnte, könnte ihm das ernsthaft schaden.«
Sie grinste mich an und legte den Rock - Ciarras Rock -, den sie geflickt hatte, beiseite. Meine Tante brachte all ihren Männern bei, wie man nähte; sie sagte immer, man wisse nie, wann man diese Fähigkeit einmal bei Zaumzeug oder Haut brauchen könne. »Er kämpft für gewöhnlich zweimal am Tag, morgens und abends, aber nicht mit der Garde. Er hat den Ring neben dem Stall benutzt und kämpft nur mit Rosem. Er will keine Zuschauer.«
Ich fragte nicht, woher sie das wusste. »Aber heute Früh war er nicht dort.«
Sie schüttelte den Kopf.
»Danke«, sagte ich, und dann griff ich einem Impuls folgend nach ihrer Hand und küsste sie, als wären wir am Hof.
Sie stand auf, zog meinen Kopf nach unten und küsste mich auf die Wange. »Dafür gebe ich dir einen Rat, der dir nicht gefallen wird. Du wirst ihn schnell und gnadenlos schlagen müssen. Bring ihn dazu zu verstehen, dass es sein Tod gewesen wäre, sich gestern Abend diesem Ding zu stellen. Dann nimmst du seinen Kampfstil auseinander …« Sie verriet mir, wonach ich Ausschau halten sollte.
»Das ist nicht viel.«
»Sag ihm das ebenfalls. Sein Problem ist, dass er so lange in einem Kasten saß und sich die letzte Zeit kaum mehr bewegt hat. Das ist seine eigene Schuld -
er war bis dahin gut in Form, wie mir Rosem sagte.«
»Rosem hat mit dir gesprochen?« Das überraschte mich; ich hatte ihn kaum zu sehen bekommen und ihn noch weniger gehört.
»Rosem hat in der Blauen Garde angefangen«, sagte sie. »Er kämpfte in Oranstein unter deinem Vater - einer der Gründe, wieso er dich nicht besonders mag. Kellen ist gut ausgebildet, er kennt sich aus mit dem Stil von Shavig und dem von
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