Drachenzauber
Wendungen. Wir kannten ihn beide gut. Für gewöhnlich hielten wir oben auf einem zerklüfteten Felskamm nahe einem vom Blitz getroffenen Baum an und wandten uns dann in vernünftigerem Tempo wieder Hurog zu. Aber als wir an diesem Tag an dem Baum vorbeiflogen, war Feder immer noch frisch und ich immer noch hin und her gerissen, das Richtige zu tun oder eine Situation zu vermeiden, die peinlich für mich sein würde.
Oben an einem steilen Hang bogen wir um eine scharfe Ecke. Ich lehnte mein Gewicht nach innen, um ihr dabei zu helfen. Und dann gab der weiche Boden unter ihrem äußeren Huf nach.
Sie wäre gestürzt, und wir wären den ganzen Weg bis zum Fuß des Berges gerollt, hätte ich nicht mein beträchtliches Gewicht verlagert und Feders Kopf herumgezogen, sodass wir schnell den Hang hinun-tergaloppieren konnten, der kaum besser als eine Klippe war.
Ich umklammerte sie mit den Beinen und beobachtete ihre Ohren, sodass ich die Richtung erkennen konnte, in der sie den größeren Felsen ausweichen würde. Ich musste ihren Kopf gerade richten, ohne dadurch ihre angestrengten Versuche zu stören, ihre Beine unter sich zu behalten, während unser gemeinsames Gewicht uns weiter nach unten zog.
Wäre der Hang nicht so steil gewesen, hätte ich mein Gewicht zurückwerfen und sie bitten können, auf den Hinterbeinen zu rutschen, aber hier hätte sich so etwas als tödlich erwiesen. Am Fuß des Hangs gab es ein Gebüsch, das sich um ein paar umgefallene Bäume gebildet hatte, und irgendwie gelang es ihr, in einem Tempo hinüberzuspringen, das ein Pferd, welches noch bei Verstand war, nie angeschlagen hätte.
Wäre sie auch nur ein winziges bisschen weniger mutig gewesen, hätten wir es nie geschafft. Ich weiß wirklich nicht, wie sie auf den Beinen bleiben konnte
- und auch nicht, wie ich mich bei diesem Sprung auf ihrem Rücken hielt -, aber wir waren immer noch aufrecht, als sie stolpernd zum Stehen kam. Ihr Atem wiegte mich, und ihr Schweiß von Schreck und Anstrengung wärmte mir die Beine.
»Ganz ruhig, Feder«, sagte ich und tätschelte ihren Hals. Dann murmelte ich: »Was für ein gutes Mädchen du bist« und anderen solchen Unsinn, bis kein Weiß mehr in ihren Augen zu sehen war und sie mit einer dieser unglaublichen Verrenkungen, zu denen Pferde imstande sind, den Kopf an meinem Knie rieb.
Ich schwang mich aus dem Sattel und landete auf wackligen Beinen. Sorgfältig betastete ich Feder, aber sie hatte nur zwei kleine Schnitte und lahmte nicht. Bis wir die Hälfte des Heimwegs hinter uns hatten, war sie wieder abgekühlt und entspannt - anders als ich. Mit meiner Dummheit hätte ich uns beide beinahe umgebracht. Wenn wir nach Hause kamen, würde ich meinem Onkel alles erklären.
Die Stallknechte waren mit zwei fremden Pferden beschäftigt, die noch müder aussahen als meine arme Feder, als ich in den Stallhof ritt. Dem Grau und Gold an ihrem Zaumzeug nach zu schließen gehörten sie Garranon.
Garranon war ein oransteinischer Adliger und - noch wichtiger - der Favorit des Hochkönigs. Gewöhnlich verbrachte er seine gesamte Zeit bei Hofe oder bei der Jagd auf den Landsitzen seiner Bekannten, denn es war oransteinischen Adligen und selbst dem Favoriten des Königs verboten, viel Zeit auf ihren eigenen Ländereien zu verbringen - eine Folge der Oransteinischen Rebellion. Ich konnte mir nicht vorstellen, was Garranon hier wollte.
Niemand außer Oreg befand sich in der großen Halle, als ich hineinkam. Er stand mit gespreizten Beinen da, die Hände auf dem Rücken verschränkt, und starrte die uralte Botschaft an, den Hurog-Fluch, der in die Wand gemeißelt war.
Er wirkte so konzentriert, dass ich die Botschaft ebenfalls betrachtete, aber sie hatte sich nicht verändert. Die Runen sahen immer noch aus, als wären sie mit einem Jagdmesser eingeritzt, auch wenn kein Messer, das ich je gesehen hatte, so tief in Stein eindringen konnte. An einigen Stellen reichten die Ker-ben beinahe eine Fingerlänge tief in den Stein, und an anderen war es kaum mehr als ein verblasster Kratzer. Die Runen war beinahe so groß wie ich.
»Oreg?«, fragte ich, nachdem ich mich noch einmal überzeugt hatte, dass der Raum leer war. Ich war der Einzige, der ihn sehen konnte. Er benutzte irgendeine Magie, die verhinderte, dass andere ihn bemerkten, mit Ausnahme von mir und Ciarra. Ich hatte schnell gelernt, sehr vorsichtig zu sein, wenn ich mich an öffentlichen Orten mit ihm unterhielt.
Man erwartete von mir, dumm zu sein,
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