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Drachenzauber

Drachenzauber

Titel: Drachenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
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erneut zu den Leichen kam. Wenn die Vorsag versucht hatten, sie zu verbrennen, hatte das nichts mit Respekt für ihre Feinde zu tun. Sie hatten etwas verbergen wollen, was die Leichen der Dorfbewohner vielleicht verraten könnten.
    Auf dem Holzhaufen lagen zweiundsiebzig Männer, Frauen und Kinder. Die meisten waren nackt, lagen mit dem Gesicht nach unten, und man hatte ihnen Hände und Füße gefesselt und die Augen verbunden, alles mit Stoffstreifen, die wahrscheinlich 284

    von ihrer eigenen Kleidung stammten. Die, die nicht gefesselt waren, sahen aus, als wären sie beim ersten Angriff im Kampf umgekommen. Es gab keine Fliegen - das war einer der wenigen Vorteile des Regens.
    Ich war dazu geboren und erzogen worden, solche Dinge zu verhindern. Hurogmeten zu sein bedeutete mehr, als Land zu besitzen - es ging darum, sich um die Menschen zu kümmern, die auf diesem Land lebten. Verantwortung war mir angezüchtet, und das Versagen des Hochkönigs, diese Menschen zu beschützen, machte mich wütend.
    Wenn dieses Land einen Herrn hätte, der sich richtig um es kümmerte, hätte keine vorsagische Truppe von dieser Größe hier eindringen und so etwas tun können. Aber der rechtmäßige Herr dieser Region war bei der Rebellion getötet worden, und König Jakoven hatte sich nicht dazu herabgelassen, ihn zu ersetzen. Silbermoor war ungeschützt gewesen.
    Ich drehte die Leiche eines kleinen Mädchens um.
    Sie hatte ein schmuddeliges Kindergesicht mit Trä-nenspuren, die der Regen wegwusch. Sie fühlte sich kalt an. Die einzige Wunde, die ich entdecken konnte, war ein zwei Finger breiter Schlitz in ihrer Kehle.
    Auf ihren Torso waren Runen gezeichnet. Einige waren mit Farbe aufgemalt und verliefen, sobald der Regen sie berührte, aber andere waren in ihre Haut geschnitten worden. Zweiundsiebzig Oransteiner, dachte ich und sah den Rest der Leichen an. Das hier muss ziemlich lange gedauert haben.
    Ich untersuchte die Haut unter den Fesseln an ihren Handgelenken und Fußknöcheln. Die Handgelenke waren wund, aber die Fesseln an ihren Füßen hatten sich beinahe bis auf die Knochen eingeschnit-ten. Das und der Mangel an Blut, wo sie gelegen hatte, sagte mir, dass man sie an den Füßen aufgehängt hatte, sodass das Blut vollständiger aus ihrem Körper lief - wie bei einem Schwein, das geschlachtet wurde.
    Es war dieses Bild, das den Deckel von meiner Wut riss. Tief in mir entfachte mein Zorn ein Feuer, das geschwelt hatte, seit Aethervon es in Menogue erweckt hatte. Es floss durch meine Brust, meine Arme und in meine Hände. Ich konnte die Magie nicht sehen, die durch meine Adern toste, aber das feuchte Holz und das Stroh begannen zu brennen, wo ich sie berührte. Blümchen schnaubte und wich so weit er konnte, ohne mir die Zügel zu entreißen, von der brennenden, qualmenden Masse zurück, als das Feuer sich rasch ausbreitete und die Geister der Toten für ihre Reise über das Leben hinaus aufsteigen ließ.
    Als Sohn meines Vaters hatte ich mich nie einem Gott angeschworen und mich überhaupt nie sonderlich für Religion interessiert. Ich wusste wenig über Meron und noch weniger über den Kriegsgott Vekke.
    Und nach dem, was Aethervon mit Ciarra gemacht hatte, würde ich ihm diese Menschen nicht anvertrauen. Sie brauchen Gerechtigkeit. Ein Gebet, das meine Kinderfrau gesungen hatte, als ich klein gewesen war, kam mir ganz natürlich auf die Zunge. Ein Shavig-Gebet war in diesem Land fehl am Platz, aber ich schloss die Augen und sang zu Siphern, dem Gott der Gerechtigkeit und des Gleichgewichts, als die Flammen höher tosten.
    Und er kam. Ich sah ihn nicht, nicht einmal, als ich die Augen wieder öffnete, aber ich spürte ihn: spürte seinen Zorn über den Tod des Dorfs, spürte, wie er die verängstigten Geister an seine Brust zog, spürte seine Berührung an meiner Stirn, als er wieder verschwand.
    Als ich mit dem Lied fertig war, fühlte ich mich friedvoll, ja leer. Und in diese Leere drangen Klarheit und Ehrlichkeit. Der Grund für meine schlechte Stimmung in diesen letzten Tagen war nicht der Regen gewesen, es war das deutlicher werdende Wissen, dass Hurog für mich verloren war. Selbst wenn ich bei der Verteidigung von Oranstein Ruhm erwerben würde (und das war selbst unter besseren Umständen unwahrscheinlich), war klar, dass dieses Königreich den König nicht kümmerte. Man brauchte nur zu sehen, wie er diese Dorfleute beschützt hatte.
    Mein Onkel würde sich besser um Hurog kümmern, als mein Vater es je getan

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