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Dracula, my love - das geheime Tagebuch der Mina Harker

Dracula, my love - das geheime Tagebuch der Mina Harker

Titel: Dracula, my love - das geheime Tagebuch der Mina Harker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Syrie James
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zoophagen Gewohnheiten von Herrn Renfield bestens vertraut,
     da ich aus Ihrem Tagebuch davon erfahren habe.«
    Dr. Seward hielt unsicher inne, als überlegte er noch, ob er diese Unterredung erlauben sollte oder nicht. Nach einigem Zögern
     seufzte er und meinte schließlich: »Nun gut. Aber lassen Sie sich von seiner ruhigen Stimmung nicht täuschen. Man kann ihm
     nicht trauen.«
    Dr. Seward trat vor mir ins Zimmer, das klein und spartanisch eingerichtet war. Herr Renfield war ein kleiner Mann mit breiten
     Schultern und einem sehr blassen Gesicht. Er kauerte in einer seltsamen Haltung auf der Bettkante. Er hockte mit gesenktem
     Kopf da, doch seine Augenlider waren hochgezogen, und er schielte mich von unten herauf misstrauisch und mit einem so finsteren
     Ausdruck an, dass mir ein kalter Schauer über den Rücken lief.
    Dr. Seward stand sehr nah bei ihm, als sei er bereit, den Irren sofort zu packen, falls er Anstalten machen sollte, sich auf
     mich zu stürzen. Ich schluckte meine Furcht herunter, streckte die Hand aus und ging mit, wie ich hoffte, Unbefangenheit und
     Freundlichkeit auf den Patienten zu. »Guten Abend, Herr Renfield. Dr. Seward hat mir von Ihnen erzählt.«
    Herr Renfield antwortete nicht sofort, sondern ließ seinen finsteren Blick über mich schweifen. Schließlich zog er die Augenbrauen
     in die Höhe, und Neugier trat auf sein Gesicht. »Sind Sie etwa das Mädchen, das der Doktor gern geheiratet hätte? Das können
     Sie nicht sein, wissen Sie, denn die ist tot.«
    Dr. Seward wirkte ob dieser Aussage höchst überrascht. »Nein!«, erwiderte ich lächelnd. »Ich habe mich verheiratet, |256| ehe ich Herrn Dr. Seward sah oder er mich. Ich bin Frau Harker. Ich bin bei Dr. Seward zu Gast.«
    Rasch wandte Dr. Seward ein: »Wie kommen Sie darauf, dass ich jemanden heiraten wollte?«
    Herr Renfield schnaubte verächtlich. »Was für eine idiotische Frage!« Dann wandte er sich mir wieder zu, und sein Verhalten
     schlug plötzlich, so schnell wie sich der Wind dreht, in Höflichkeit und Respekt um. »Wenn ein Mann so beliebt ist und so
     verehrt wird wie unser Herr Doktor, Frau Harker, dann ist alles, was ihn betrifft, für unsere kleine Gemeinschaft von Interesse.«
     Er fügte noch hinzu, dass er nicht nur in seinem Haushalt und bei seinen Freunden beliebt war, sondern auch bei seinen Patienten,
     obwohl oder vielleicht gerade wegen deren Mangel an geistigem Gleichgewicht. Dann stellte er langwierige, gelehrte, philosophische
     Beobachtungen über die Insassen des Asyls und über den Zustand unserer Welt an.
    Was immer ich von Herrn Renfield erwartet hatte, dies war es nicht gewesen. Seine Sprache und seine Umgangsformen waren die
     eines vollendeten Gentleman; er schien mir vollkommen bei geistiger Gesundheit zu sein. Dass er keine fünf Minuten, ehe ich
     das Zimmer betreten hatte, Spinnen und Fliegen gegessen hatte, konnte ich kaum glauben. Dr. Seward schien ebenfalls erstaunt
     zu sein. Er stand schweigend da und schaute mich an, als besäße ich seltene Kräfte.
    »Wenn Dr. Sewards Patienten ihn lieben«, sagte ich, »dann mit gutem Grund. Er ist ein sehr freundlicher und fürsorglicher
     Mann, und ihre Interessen liegen ihm sehr am Herzen.«
    »Für die anderen mag das zutreffen«, sagte Herr Renfield mit Nachdruck, »für mich jedoch nicht. Der Herr Doktor mag mich nicht,
     und er hat sich mir in den Weg gestellt.«
    »Wie das?«, erkundigte ich mich.
    »Er denkt, dass ich einem seltsamen Glauben anhänge. Und vielleicht stimmte das auch. Ich bildete mir ein, dass man durch
     das Verzehren lebender Wesen, ganz gleich, wie tief sie auf der Stufe der Schöpfung auch stehen, sein Leben |257| bis ins Unendliche würde verlängern können. Manchmal war der Glaube daran so stark in mir, dass ich tatsächlich den Wunsch
     hatte, mir ein Menschenleben einzuverleiben. Ich erhoffte durch das Medium des Blutes eine Verschmelzung von seiner Kraft
     mit meinem Leibe, denn wie die Bibel sagt: Das Blut ist Leben. Allerdings hat der Verkäufer eines gewissen Geheimmittels –
     genau genommen handelt es sich dabei um Clarkes weltberühmten Blutreiniger – diese Erkenntnis nun verächtlich zu einem lächerlichen
     Werbespruch herabgewürdigt. Das stimmt doch, Herr Doktor?«
    Auch ich nickte, weil ich das Mittel kannte, auf das er sich bezog. Gleichzeitig war ich höchst verwundert über seine vornehme
     und vernünftige Art. Allerdings zeigte mir der Inhalt seiner Rede nur zu deutlich seinen

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