Dracula, my love - das geheime Tagebuch der Mina Harker
verstehen. Zu diesem Zweck habe ich manche Stunde in dem mit einer wunderbaren Kuppel überwölbten Lesesaal
des Britischen Museums verbracht und mich über deinen Dr. van Helsing informiert. Er hat unzählige Artikel über ebenso viele
Themen veröffentlicht. Ich war fasziniert, als ich erfuhr, dass er sich für einen Meisterhypnotiseur hält. Das wollen wir
zu unserem Vorteil ausnutzen.«
»Wie?«
»Ich habe einen Plan, wie wir deine Männer dazu bringen können, von der Jagd auf mich abzulassen. Wie du bei deinem Ehemann
bleiben kannst, wenn du es wünschst, während ich trotz allem in Sicherheit bin. Wir müssen ihnen vortäuschen, dass ich aus
diesem Land geflohen bin.«
»Geflohen?«
Dracula erläuterte mir die Einzelheiten seines Plans, eines einfachen, aber ziemlich schlauen Plans. Unter anderem gehörte
dazu, dass ich den Professor bitten sollte, seine hypnotischen Kräfte an mir unter Beweis zu stellen und mich in eine Trance
zu versetzen.
»Ist das nicht gefährlich?«, fragte ich zweifelnd. »Wenn ich Dr. van Helsing erlaube, mich zu hypnotisieren, könnte ich |363| doch die Wahrheit über meine Gefühle für dich verraten. Und deinen ganzen Plan.«
»Das könntest du, wenn van Helsing tatsächlich ein kompetenter Hypnotiseur wäre. Das halte ich jedoch für höchst unwahrscheinlich.
Ich habe sehr viel Erfahrung mit dieser Kunst, Mina, und kann dir daher einige Schutzmechanismen beibringen. Jedenfalls werde
ich die ganze Zeit über in deinen Gedanken bei dir sein, falls auch nur die geringste Gefahr bestehen sollte, dass du in Trance
verfällst. Und ich werde dir eingeben, was du sagen musst.«
»Ich habe außer in der Theatergruppe in meiner Schule nur wenig Erfahrung mit der Schauspielerei.«
»Ich vertraue dir. Ich habe gestern Nacht deine Schauspielkünste bewundern können, nachdem ich den Raum verlassen hatte und
du eine bemerkenswerte Geschichte über unser Zusammentreffen erfunden hast.« Mit einem Augenzwinkern verfiel er in die Rolle
des abstoßenden Scheusals, als das ich ihn dargestellt hatte. »Nun bist du schon eine Weile meine unerschöpfliche Quelle roten
Weins. Später sollst du meine Gefährtin und Helferin sein. Und wenn mein Gehirn befiehlt: Komm!, so sollst du über Land und
See herbeieilen und meine Befehle ausführen!«
Ich schlug peinlich berührt die Hände vor das Gesicht. »Oh! Ich erröte, wenn ich nur daran denke, was ich ihnen aufgetischt
habe. Ich glaube, diese Geschichte hat nur ihren Rachedurst vergrößert.«
»Sie war ziemlich einfallsreich – allerdings auch ein bisschen melodramatisch.«
Ich wandte den Blick ab und dachte über seinen Vorschlag nach. Konnte ich, sollte ich versuchen, ihm zu helfen?
Wie konnte ich das nicht tun?
Ich wusste, wie sehr Jonathan und die anderen ihn fürchteten und verachteten. Wenn ich nicht kämpfte, um Nicolae zu retten,
dann würden sie ihn wahrscheinlich vernichten. Das würde mir das Herz brechen. Und wer von den anderen |364| würde einen solchen Kampf überleben, wenn ihn überhaupt jemand überstehen konnte? Ich kam mir vor wie die schöne Helena, die
zwischen zwei Liebhabern stand und einen Krieg heraufbeschwor. Ich liebte Jonathan. Ich wollte mein schönes, heimelig inniges
Leben mit ihm, die Familie, die wir uns immer vorgestellt hatten. Und doch liebte ich auch Nicolae. Ich konnte nicht beiden
Männern treu sein, sondern nur mir selbst. Ich musste meinem Herzen folgen. Das flüsterte mir ein, dass ich alles Nötige tun
würde, damit keiner von beiden in Gefahr geriet. Vielleicht war ich blind. Vielleicht war ich zu sehr verliebt, um vernünftig
zu denken. Ich konnte mir jedenfalls keine andere Vorgehensweise vorstellen.
»Nicolae, ich werde tun, was ich kann, um dir zu helfen. Aber die anderen glauben alle, dass ich dazu verflucht bin, ein Vampir
zu werden, wenn ich sterbe. Selbst wenn sie meinen, dass du England verlassen hast, fürchte ich, dass sie dir folgen werden
und niemals die Suche nach dir aufgeben, solange sie dich noch am Leben wähnen.«
»Du musst sie vom Gegenteil überzeugen. Dass ich niemals zurückkehren werde. Sie müssen dich einfach dein Leben zu Ende leben
lassen, und sie müssen überzeugt sein, dass du, wenn du stirbst, für niemanden eine Bedrohung darstellst.«
»Wie soll ich das denn bewerkstelligen?«
»Indem du sie bittest, dich mit einem Pfahl zu durchbohren, sobald du als Untote auferstehst.«
»Das kann nicht dein Ernst
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