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Dracula, my love - das geheime Tagebuch der Mina Harker

Dracula, my love - das geheime Tagebuch der Mina Harker

Titel: Dracula, my love - das geheime Tagebuch der Mina Harker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Syrie James
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Bäumen hindurchschlängelte. Eine Weile schritten wir schweigend
     nebeneinander, während ich versuchte, mir eine ferne Zukunft vorzustellen, in der ich vielleicht auch in einer solchen Kiste
     schlafen müsste. Diese Vorstellung erfüllte mich mit leichtem Abscheu. Plötzlich kam mir ein Gedanke, und ich fragte: »Wenn
     ich eine Untote wäre, müsste ich dann bei Tag in englischer Erde ruhen?«
    »Das hängt davon ab, wo du stirbst. Ein Vampir muss in dem Boden der Gegend ruhen, wo er entstanden ist.«
    »Bringt das keine Probleme mit sich?«
    »Warum?«
    »Du sagtest, wir würden für immer zusammen sein. Wenn du in transsilvanischer Erde ruhen musst und ich hier sterbe …«
    »Reine Formsache, meine Liebste. Dieses Problem lässt sich leicht beheben, solange uns niemand jagt. Ich habe hier immer noch
     genug eigene Erde in einem sicheren Versteck. Oder wir könnten eine Schiffsladung englischer Erde nach Transsilvanien transportieren
     lassen.«
    »Ich sehe, dass du alles bestens geplant hast.«
    »O ja.«
    |411| Plötzlich fegte eine Windbö vorüber, und mich fröstelte. Nicolae nahm seinen Umhang ab und legte ihn mir um die Schultern.
     »Danke.« Während mir die Wärme des dicken Stoffs Behaglichkeit schenkte, schaute ich Dracula an und bemerkte ein kleines weißes
     Papier, das aussah wie ein aufgerolltes Blatt und aus der Brusttasche seines Hemdes ragte. »Was ist das?«
    Er berührte das Röllchen verlegen. »Das? Ach, nichts. Nur … eine Skizze, an der ich arbeite.«
    »Darf ich sie sehen? Bitte!«
    Nach einigem Zögern nahm er die Rolle aus der Tasche und gab sie mir. Ich blieb stehen, entfaltete sie und schaute sie mir
     im Mondlicht genau an. Es war eine Bleistiftskizze von mir, die eindeutig aus dem Gedächtnis angefertigt worden war. Sie zeigte
     mich in romantischer Pose, wie ich auf einer hohen Klippe stand und auf eine dramatische Küste und das Meer herabblickte.
    »Das sind die Klippen von Whitby«, sagte ich mit einem kleinen Lächeln.
    »Die Zeichnung ist noch nicht fertig.«
    »Sie ist wunderschön.« Ich rollte das Papier sorgfältig wieder zusammen und gab es ihm zurück. »Hat außer mir schon jemand
     deine Kunst gesehen?«
    »Einige wenige Leute im Laufe der Jahrhunderte. Ich habe einmal Haydn ein Gemälde geschenkt.«
    »Joseph Haydn?« Ich lachte. »Du meinst, du hast ihn wirklich gekannt?«
    »Ich bin im vergangenen Jahrhundert ein wenig auf dem europäischen Festland herumgereist. Das war wirklich ein hinreißendes
     Kapitel der Weltgeschichte. Die Musik und die Tänze waren atemberaubend. Die Mode war großartig, von den Perücken und dem
     grässlichen Haarpuder einmal abgesehen. Männer wie Frauen trugen leuchtend farbige Seidenstoffe und Satingewänder und waren
     mit Juwelen geschmückt. Die Menschen feierten die Nächte hindurch und |412| schliefen bei Tag, ein Lebenswandel, der, wie du dir vorstellen kannst, sehr gut zu meinen Angewohnheiten passte.«
    »Wie bist du damals gereist, da du doch immer in transsilvanischer Erde ruhen musst?«
    »Ein Mann kann beinahe alles mit sich führen, wenn er eine Kutsche und ein Fuhrwerk besitzt.« Dann erzählte mir Nicolae eine
     Anekdote über Mozart, bei der ich mir vor Lachen die Seiten halten musste. So redeten wir lange weiter, während wir durch
     seinen Park spazierten, einander mit Geschichten unterhielten und von vergangenen Erlebnissen berichteten, die insbesondere
     in seinem Fall unerschöpflich schienen. Ich hätte noch stundenlang so weiterplaudern mögen. Alles an Nicolae faszinierte mich.
     Doch eine Sache beunruhigte mich nun schon lange, und schließlich brachte ich sie zur Sprache.
    »Nicolae, wir müssen über etwas reden. Das Doppelleben, das ich gegenwärtig führe, lastet mir schwer auf dem Gewissen.«
    »Ich weiß.«
    »Ich liebe dich. Und doch liebe ich auch meinen Ehegatten. Mir ist ganz übel vor Schuldgefühlen und Scham darüber, wie ich
     ihn betrüge. Du hast gesagt, dass ich ein Leben lang Zeit hätte, mich zu entscheiden, ob ich mich als Untote zu dir gesellen
     will oder nicht. In Wahrheit muss ich die Wahl schon jetzt treffen. Und die Entscheidung erfüllt mich mit einem solchen Schmerz,
     dass ich nicht weiß, ob ich die Kraft dazu aufbringe.«
    »Du musst dich noch nicht festlegen, mein Liebling.«
    »Doch. Ich kann mich nicht mehr hinter seinem Rücken mit dir treffen.«
    »Das musst du nicht.«
    »Was meinst du damit?«
    »Ich habe dir bisher noch nichts davon erzählt, weil ich fürchtete, es

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