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Dracula, my love - das geheime Tagebuch der Mina Harker

Dracula, my love - das geheime Tagebuch der Mina Harker

Titel: Dracula, my love - das geheime Tagebuch der Mina Harker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Syrie James
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unserer Freunde ist der Besitzer dieser Einrichtung. Das Haus ist groß und sehr bequem eingerichtet.«
    »Es ist zu kalt, um zu Fuß dorthin zu gehen. Warten Sie hier, bis ich eine Droschke gefunden habe.«
    Es waren keine Droschken zu finden, aber Herr Wagner überredete einen Einwohner des Ortes, ihm für eine Stunde sein Gig 1 zu vermieten, und bezahlte ihn offenkundig sehr gut dafür. Während der Besitzer mit dem Geld fröhlich auf das Gasthaus zuhielt, half mir Herr Wagner in das Gefährt und begab sich dann auf die Kutscherseite.
    Just in diesem Augenblick frischte der Wind auf und wehte mit solcher Kraft über den Bahnhofsvorplatz, dass er einen Unrathaufen
     aufwirbelte und einen Stapel leerer Kisten laut krachend zu Fall brachte. Verschreckt bäumte sich das Pferd auf und wieherte.
     Blitzschnell sprang Herr Wagner zu ihm hin, legte ihm die Hand auf die Nase, tätschelte es und sprach leise und beschwichtigend
     auf das Tier ein. Dann flüsterte er ihm etwas ins Ohr. Unter seiner zärtlichen Berührung beruhigte sich das Pferd sofort.
    Als Herr Wagner wieder auf den Sitz sprang, sagte ich bewundernd: »Sie können wirklich wunderbar mit Pferden umgehen.«
    »›Der Wind des Himmels bläst zwischen den Ohren des Pferdes.‹«
    |230| Ich kannte dieses arabische Sprichwort und lächelte. Wir fuhren los. Schon bald merkte ich, dass ich zitterte, eine Reaktion,
     die, wie ich vermutete, weniger mit der kühlen Nachtluft zu tun hatte als mit der Tatsache, dass Herr Wagners Schenkel den
     meinen berührte.
    »Nehmen Sie meinen Umhang«, meinte er und legte ihn mir fürsorglich um die Schulter.
    »Dann frieren aber Sie, Sir.«
    »Ich verspreche Ihnen, dass ich nicht friere.«
    Eine Weile fuhren wir schweigend weiter. Traurigkeit überkam mich, weil mir klar wurde, dass jede Drehung der Räder den Augenblick
     näherbrachte, an dem Herr Wagner und ich uns trennen müssten. »Ich bin Ihnen dankbar, Sir«, murmelte ich. »Sie haben mir heute
     Abend Mut gemacht, als ich es am dringendsten brauchte. Den Mut, mir einen Traum zu erfüllen.«
    »Das freut mich.«
    »Wie kann ich Ihnen das jemals danken?«
    Während er kutschierte, nahm Herr Wagner meine behandschuhte Hand in die seine und führte sie an die Lippen, während er leise
     sprach: »Indem Sie mir erlauben, Sie wiederzusehen.«
    Mein Herz begann wie wild zu schlagen. »Sie können mich und meinen Mann jederzeit gern besuchen, Sir, während wir uns hier
     aufhalten.«
    »Ihren Mann?« Er ließ meine Hand los und lachte leise und ein wenig sarkastisch. »Ich verspüre keinerlei Bedürfnis, Ihren
     Ehemann zu sehen, gnädige Frau.«
    Darauf wusste ich keine Antwort und verstummte, während mir die Röte in die Wangen stieg.
    Er schaute mich an. »In all den Wochen, seit wir einander das letzte Mal gesehen haben, haben Sie da einmal an mich gedacht?«
    »Natürlich«, erwiderte ich mit einer Stimme, die ich kaum wiedererkannte.
    Er brachte das Pferd zum Stehen und wandte sich mir zu. |231| Sein Gesicht schimmerte im Mondlicht, als unsere Blicke sich trafen. Er legte seine kühle Hand an meine heiße Wange, und diese
     Berührung hatte etwas so Intimes, dass ich unwillkürlich leise seufzte. Mit seiner sanften, tiefen Stimme sagte er: »Ich habe
     an kaum etwas anderes gedacht als an Sie.«
    »Jeden Tag habe ich mich gefragt, wo Sie sind und wie es Ihnen geht«, flüsterte ich.
    »Mir ging es ebenso. Ich glaubte, Sie für immer verloren zu haben. Und doch konnte ich Sie nicht vergessen. Ich kann Sie niemals
     vergessen, Mina.«
    Es war das erste Mal, dass er mich Mina nannte, eine Vertrautheit, die nur den engsten Freunden vorbehalten ist. Nun beugte
     er sich weiter zur mir herüber, bis sein Gesicht nur noch wenige Zoll von dem meinen entfernt war. Begierde durchströmte mich.
     Mich erfasste der verzweifelte Drang, zu spüren, wie sich seine Lippen auf meine pressten. Heiße Tränen wallten in mir auf,
     und mein Hals war wie zugeschnürt.
    »Vielleicht«, brachte ich stammelnd hervor, »wäre alles anders gekommen, wäre ich nicht bei unserer ersten Begegnung bereits
     verlobt gewesen. Aber ich
war
verlobt. Und nun bin ich verheiratet!« Ich löste mich von ihm und warf seinen Umhang ab. »Es ist nicht recht. Es ist schlecht!
     Es tut mir leid, aber ich darf Sie niemals wiedersehen!«
    Ich sprang vom Gig und rannte voller Verzweiflung über den baumbestandenen Weg davon.
     
    Auf mein leises Klopfen öffnete mir ein Hausmädchen die Eingangstür zum Irrenhaus.

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