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Dracula, my love

Dracula, my love

Titel: Dracula, my love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Syrie James
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schwächer, als ihn die Erschöpfung übermannte. „Vor uns liegt ein langes, wunderbares Leben, Frau Harker, und wir wollen das Beste daraus machen. Ist dir warm genug?“
    Nun war ich des Sprechens nicht mehr fähig. Ich konnte nur noch nicken.
    „Schlaf gut, meine Liebste.“ Er hielt mich in den Armen und schlummerte sanft ein.
    Todunglücklich lag ich noch lange wach und versuchte, meine Tränen zurückzuhalten.
    Endlich schlief auch ich ein.
    Und träumte.
    Ich träumte, ich wäre zu Hause in Exeter und säße an einem hellen, sonnigen Tag in unserem Garten. Eine leise Brise raschelte durch die belaubten Zweige der Bäume. Die Vögel zwitscherten. Alles war wunderschön und heiter. Ich las in dem Buch, das mir Jonathan gekauft hatte. Es war Shakespeares Sonett 71:
    Wenn ich gestorben, traure länger nicht
Als dumpfer Grabeglocken Trauerton
Der Welt von meinem Scheiden gibt Bericht,
Und dass zu armen Würmern ich entflohn *
    *) Shakespeare, Sämtliche Werke, Hrsg. Anselm Schlösser, Aufbau Verlag Berlin und Weimar 1994, Band 2, S. 814
    Plötzlich fühlte es sich so an, als versengte mir die Sonne, die mir bisher Kopf und Schultern gewärmt hatte, das Fleisch. Ein schrecklicher, ständig wachsender Durst überwältigte mich. Ich schenkte mir ein Glas Limonade ein und nahm einen Schluck, nur um ihn sofort angewidert wieder auszuspucken.
    Meine Aufmerksamkeit richtete sich auf das Zwitschern der Vögel in den nahe stehenden Bäumen. Das Geräusch schien sonderbar angeschwollen zu sein. Es war, als könnte ich den Vogelgesang nicht nur hören, sondern auch seinen Widerhall in meinem Körper spüren, so wie man das Schnurren einer Katze spüren kann. Ich erhob mich, wie magnetisch von dem Klang angezogen. Ich blieb stehen und starrte zu den Zweigen des nächsten Baumes hinauf, wartete auf ... ich weiß nicht, auf was. Gleichzeitig begann mein Kiefer schrecklich zu schmerzen. Als ich meine Zähne berührte und mich über diesen plötzlichen Schmerz wunderte, musste ich zu meiner großen Überraschung feststellen, dass meine vier Eckzähne lang und scharf geworden waren wie die Reißzähne eines Tigers.
    Da flatterte vor mir ein kleines Vögelchen von einem Zweig herab. Instinktiv fuhr meine Hand nach oben und schnappte das winzige Wesen in der Luft. In einem einzigen unbeherrschten Augenblick rupfte ich dem Vogel die Federn aus und hieb ihm meine Zähne in den nackten Körper, während ich gierig sein Blut in meinen Mund saugte, den herrlichen Nektar schlürfte, als hinge mein Leben davon ab. Erst als die Blutquelle völlig versiegt war, hielt ich inne und starrte auf den schlappen, zerdrückten Körper des Vogels, den ich umklammert hielt. Entsetzen packte mich.
    Großer Gott! Was hatte ich gerade Widerliches getan? Ich hatte soeben eines der süßen, unschuldigen Geschöpfe dieser Erde umgebracht ... und sein Blut getrunken! Schlimmer noch, es hatte mir Genuss bereitet. Voller Selbsthass warf ich den Vogel in die Büsche.
    Ich wachte abrupt auf, von einer Welle der Übelkeit und des Abscheus ergriffen. Ich rannte aus dem Zelt und in den Schutz des Waldes, wo ich mich heftig übergab. Nachdem ich den geringen Inhalt meines Magens von mir gegeben hatte, trat ich ein paar Schritte zur Seite, sank mit den Knien auf die schneebedeckte Erde und brach in Tränen aus. Schon lange glaubte ich, dass Träume Vorzeichen waren. Hatte ich nicht in der Nacht vor Draculas Ankunft in Whitby von ihm geträumt? Hatte ich nicht seine Stimme gehört, die nach mir rief, die mir sagte, dass er kommen würde? Hatte ich nicht von dem Kampf geträumt, den ich heute miterlebt hatte, und gesehen, dass einer der tapferen Männer sterben müsste?
    Ich wusste, was mir meine Gedanken mitzuteilen versuchten: Sie boten mir einen Ausblick auf die Zukunft. Die Frau in meinen Träumen war, wer oder was ich werden sollte! „Sie werden gezwungen sein, eine wichtige Entscheidung zu treffen“, hatte die alte Zigeunerin gesagt. „Hören Sie auf Ihren Körper. Er verändert sich. Lassen Sie sich von ihm leiten.“
    Tränen rannen mir über die Wangen, als ich mich dann an die Worte erinnerte, die Jonathan gesprochen hatte, ehe er einschlief: „Vor uns liegt ein langes, wunderbares Leben, Frau Harker, und wir wollen das Beste daraus machen.“
    Ich hatte Jonathan einmal versprochen, dass ich ihn niemals verlassen würde. Aber nun konnte ich nicht mit ihm nach England zurückkehren. Eines Nachts würde ich mich vielleicht blutrünstig auf ihn stürzen,

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