Dracula, my love
wirklich elend. Jonathan hatte sich so in die Sache hineingesteigert, dass ich fürchtete, er könnte einen Rückfall in seinen früheren Krankheitszustand erleiden. „Es tut mir leid“, antwortete ich rasch. „Ich hatte nicht daran gedacht, dass es sich auf deine Geschäfte auswirken könnte. Wir werden es natürlich so machen, wie du es für das Beste hältst.“
In jener Nacht hatte ich einen seltsamen Traum von Lucy.
Ich hatte mir schon eine ganze Weile Sorgen um sie gemacht. Ich hatte Lucy aus Budapest geschrieben und ihr dann auch noch eine Karte geschickt, um ihr mitzuteilen, dass wir bald die Heimreise antreten würden. Jedoch hatte ich trotz Lucys Versprechen, regelmäßig mit mir zu korrespondieren, seit dem Tag, an dem ich Whitby verließ, nichts von ihr gehört. Und damals war sie gar nicht wohlauf gewesen. Ich hatte mich selbst ermahnt, mich nicht zu sehr um sie zu sorgen, da sie schließlich ihre Mutter und Arthur hatte, die sich um sie kümmern würden. Ich war viele Wochen im Ausland gewesen, und die Post geht manchmal seltsame Wege, besonders wenn sie ins Ausland geschickt wird, wie Lucy mich selbst so oft erinnert hatte. Trotzdem hatte ich das unbestimmte Gefühl, dass etwas geschehen war.
Mein Traum erhöhte meine Sorge nur noch. In diesem Traum sah ich von meinem Bett auf und stellte fest, dass die Vorhänge aufgezogen und unsere Verandatüren weit geöffnet waren. Durch die Dunkelheit hindurch schaute mich eine gespenstische Gestalt an. Es war Lucy! Sie stand draußen auf dem Balkon, nur in ihr weißes Nachtgewand gekleidet, und das goldene Haar fiel ihr wirr um die Schultern. Sie lächelte und winkte mich mit einem Finger zu sich heran. Ich erhob mich und trat durch die Tür ins Freie.
Plötzlich veränderte sich die Landschaft. Ich war nicht mehr auf meinem Balkon, sondern wieder in Whitby, am Fuß der Treppe zur Ostklippe. Lucy lachte fröhlich, wandte sich um und eilte die Stufen hinauf. Irgendwie war ich gewiss, dass sie in eine große Gefahr hineinlief, dass die furchterregende finstere Gestalt mit den roten Augen dort oben auf sie warten würde.
„Halt, Lucy! Halt!“, rief ich hinter ihr her. Doch sie hörte nicht auf mich.
Ich hastete hinter Lucy her, aber sie war mir weit voraus. Je schneller ich lief, desto länger wurde die Treppe, sie erstreckte sich endlos vor mir, hinauf und immer weiter hinauf, bis ich dachte, sie würde niemals enden. Plötzlich tauchte eine andere Gestalt neben mir auf. Es war Lucys hoch aufgeschossener, attraktiver Verlobter mit dem lockigen Haar, Arthur Holmwood.
„Lucy!“, rief er. „Wo willst du hin?“
„Arthur? Was machst du denn hier?“, erwiderte Lucy, während sie kurz innehielt, um zu ihm zurückzuschauen und ihm ein lüsternes und zugleich verächtliches Lächeln zuzuwerfen. „Geh nach Hause, Arthur. Es ist zu spät. Du bist hier nicht mehr erwünscht.“ Sie wandte sich um und rannte weiter.
Herr Holmwood schaute bestürzt drein. „Lucy!“, stieß er mit todtrauriger Stimme hervor. „Liebling! Komm zurück!“
„Sie weiß nicht, was sie sagt, Herr Holmwood. Sie schlafwandelt. Wir müssen sie aufhalten!“
Herr Holmwood und ich eilten zusammen die Stufen hinauf, kamen schließlich oben an und sahen Lucy keine zwanzig Fuß entfernt mit dem Rücken zu uns stehen. Wir liefen zu ihr hin. Sie begann zu lachen. Es war ein seltsamer, gespenstischer Laut, der mir kalte Schauer über den Rücken rieseln ließ. Ich streckte die Hand aus, um Lucys Schulter zu berühren. Zu meinem Entsetzen hatte sich ihre Miene, als sie sich zu uns umwandte, in eine wütende Dämonenfratze verwandelt. Ihre Augen waren blitzende rote Kugeln, aus denen die Funken des Höllenfeuers zu sprühen schienen, und ihre Stirn war in grimmige Falten gelegt. Ihre Hände glichen Klauen, und sie schlug wie wild nach uns und stieß ein wildes, teuflisches Zischen aus.
Voller Entsetzen schrak ich aus dem Schlaf auf; ich hatte die Bettdecke fest umklammert und konnte gerade noch einen Schrei unterdrücken. Oh, was für ein schrecklicher Traum! Warum quälte mich mein Unterbewusstsein mit einem so absurden, furchterregenden Bild? Was um alles in der Welt konnte dies heraufbeschworen haben?
Selbst lange nach dem Erwachen vermochte ich den Albtraum nur mit Mühe aus meinem Kopf zu verbannen. Ich konnte den Gedanken nicht loswerden, dass irgendetwas Schreckliches mit Lucy geschehen war. Am nächsten Morgen war ich entschlossen, wieder mit ihr Verbindung aufzunehmen. Ich
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