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Dracula - Stoker, B: Dracula

Dracula - Stoker, B: Dracula

Titel: Dracula - Stoker, B: Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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Patienten sehen müsste.
    »Nehmen Sie mich mit, Freund John«, sagte der Professor. »Die Fallbeschreibung, die Sie in Ihrem Tagebuch von ihm geben, hat mich sehr interessiert, und es hängt ja anscheinend auch irgendwie mit
unserem
Fall zusammen. Ich möchte ihn sehr gerne einmal sehen, besonders im verwirrten Zustand.«
    »Darf ich ebenfalls mitkommen?«, fragte Lord Godalming.
    »Ich auch, ich auch?«, ließen sich Quincey Morris und Mr. Harker vernehmen. Ich nickte, und so gingen wir alle zusammen zu Renfields Zimmer.
    Zu fünft traten wir ein, aber außer mir sprach zunächst keiner meiner Begleiter. Wir trafen Renfield in einem Zustand großer Erregung an, seine Redeweise und sein Gebaren waren aber weitaus |354| vernünftiger als sonst. Er hatte ein außergewöhnlich klares Bild von sich selbst, wie ich es noch nie zuvor bei einem Irren angetroffen hatte, und er schien vorauszusetzen, dass auch gesunde Menschen von seiner Argumentation überzeugt sein müssten. Er hatte mich rufen lassen, weil er augenblicklich entlassen und heimgeschickt werden wollte. Er begründete diese Bitte mit seiner vollkommenen Wiederherstellung und führte als Beleg seinen gegenwärtigen klaren Geisteszustand an. »Ich appelliere an Ihre Freunde«, sagte er, »sie mögen, wenn es Ihnen nichts ausmacht, mit Ihnen über meinen Fall zu Gericht sitzen. Übrigens wurde ich ihnen bisher noch nicht vorgestellt …« Ich war so verblüfft, dass mir der Gedanke nicht einmal lächerlich vorkam, einem Wahnsinnigen in einer Anstalt gegenüber auf die Etikette zu achten. Davon abgesehen lag eine gewisse Würde im Gebaren dieses Mannes, ein so unbedingter Anspruch auf Gleichrangigkeit, dass ich augenblicklich mit der Vorstellung begann: »Lord Godalming – Mr. Quincey Morris aus Texas – Professor van Helsing – Mr. Jonathan Harker: Mr. Renfield!« Der Patient begrüßte alle der Reihe nach per Handschlag, wobei er zu jedem ein paar Worte sagte:
    »Lord Godalming, ich hatte einmal die Ehre, Ihrem Herrn Vater in Windham 5 zu sekundieren. Dass Sie nun den Titel tragen, zeigt mir zu meinem großen Bedauern an, dass der alte Lord nicht mehr unter den Lebenden weilt. Er wurde von allen, die das Glück hatten, ihn zu kennen, geliebt und verehrt. Ich hörte, dass er in seiner Jugend der Erfinder eines Rumpunsches war, welcher auf den Derby-Abenden einen außerordentlichen Zuspruch fand. – Mr. Morris, Sie dürfen stolz sein auf Ihren großartigen Staat, seine Aufnahme in die Union 6 war ein Präzedenzfall, in dessen Folge sich vielleicht dereinst die Pole und die Tropen unter dem Sternenbanner verbinden! Der Vertrag wird sich als |355| mächtige Triebkraft zur Vergrößerung der Union erweisen, wenn die Monroe-Doktrin 7 als das politische Märchen erkannt sein wird, das sie ist. – Und wie soll man seine Freude in Worte fassen, van Helsing kennenlernen zu dürfen? Sir, ich entschuldige mich nicht dafür, Ihre zahllosen akademischen Grade nicht anzuführen. Bei einem Genie, das die Therapeutik durch seine Entdeckung der kontinuierlichen Evolution der Gehirnmasse revolutioniert hat, sind die konventionellen Titel gänzlich unpassend, denn sie würden die Ausnahmeerscheinung in eine Reihe mit anderen stellen, in die Sie keineswegs gehören! – Mr. Harker, ich bin erfreut, nun endlich auch Ihre Bekanntschaft zu machen, nachdem mir Ihre zauberhafte Gattin ja bereits einmal die Ehre erwiesen hat! – Sie alle, meine Herren, die Sie durch Erbrecht, Nationalität oder durch natürliche Anlagen dazu bestimmt sind, die Ihnen zustehenden Plätze in dieser sich so rasch bewegenden Welt einzunehmen, Sie rufe ich als Zeugen dafür an, dass ich so vernünftig bin wie die weitaus meisten Menschen, die im vollen Besitz ihrer Freiheit sind. Und ich bin überzeugt davon, dass auch Sie, Dr. Seward, als humanistischer Medizinrechtler und Wissenschaftler es für Ihre moralische Pflicht erachten werden, mich als einen Fall zu betrachten, der außerhalb der gewöhnlichen Urteilsbahnen zu verhandeln ist!« Diesen letzten Appell an mich brachte er mit einer Überzeugung vor, die durch ihre Höflichkeit außerordentlich bestechend wirkte.
    Ich glaube, wir alle waren verdutzt. Was mich betrifft, so war ich trotz meiner Vertrautheit mit dem Charakter und der Krankengeschichte dieses Mannes überzeugt, dass seine Vernunft wieder völlig zurückgekehrt sei. Fast wollte ich ihm schon sagen, dass ich mit seinem Zustand zufrieden wäre und die nötigen Formalitäten einleiten

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