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Dracula - Stoker, B: Dracula

Dracula - Stoker, B: Dracula

Titel: Dracula - Stoker, B: Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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er bringt ihnen noch immer die Fliegen, die er mit seinen Mahlzeiten ködert.
     
    19. Juli
    Es geht vorwärts. Mein Freund hat nun eine ganze Sperlingskolonie, und seine Fliegen und Spinnen sind schon tüchtig dezimiert. Als ich eintrat, rannte er auf mich zu und sagte, er möchte mich um eine große Gunst bitten, um eine sehr, sehr große Gunst. Und wie er so sprach, schmiegte er sich an mich wie ein schmeichelnder Hund. Ich fragte ihn, was es denn wäre, und er antwortete mit einer gewissen Erregung in Stimme und Gebärden:
    »Ein junges Kätzchen, ein niedliches, kleines, schmiegsames, verspieltes Kätzchen, mit dem ich spielen und das ich dressieren und füttern kann – füttern – füttern!« Seine Bitte traf mich nicht gänzlich unerwartet, denn ich weiß ja mittlerweile, dass seine Haustiere beständig an Größe und Stärke zunehmen. Und da es mich nicht besonders kümmert, wenn er seine zahme Spatzenfamilie auf dieselbe Art auslöscht wie die Fliegen und die Spinnen, sagte ich ihm, man werde sehen. Zugleich fragte ich ihn, ob er denn – im Falle, es werde ihm gestattet – statt eines kleinen Kätzchens nicht lieber eine ausgewachsene Katze haben wolle. Der Eifer seiner Antwort verriet ihn.
    »Oh ja, ich will eine Katze! Ich habe nur um ein junges Kätzchen gebeten, weil ich fürchtete, Sie würden mir die Katze verweigern. Ein kleines Kätzchen hingegen, das kann man mir nicht abschlagen, nicht wahr?« Ich schüttelte den Kopf und sagte ihm, dass das nicht so schnell gehen würde, dass ich die Sache aber im Auge behalten wolle. Sein Gesicht wurde lang, und ich konnte ein bedrohliches Zucken darin erkennen. In seinem Blick vermeinte ich kurz sogar so etwas wie den Willen zu erkennen, mich zu töten. Der Mann ist ein wahnsinniger Mörder, dessen Tötungsmanie sich noch im Entwicklungsstadium befindet. Ich werde seine gegenwärtige Gier untersuchen und sehen, wohin sie führt – dann wird man mehr sagen können.
     
    |106| 10 Uhr abends
    Ich habe ihn erneut besucht und fand ihn brütend in einer Ecke. Als ich eintrat, warf er sich vor mir auf die Knie und flehte mich an, ihm doch eine Katze zu genehmigen, sein Seelenheil hinge davon ab. Ich blieb trotzdem fest und machte ihm klar, dass ich seinen Wunsch jetzt nicht erfüllen könne, worauf er sich, ohne ein Wort zu sagen, umdrehte und sich, an seinen Fingern nagend, wieder in die Ecke setzte, wo ich ihn bei meinem Eintritt gefunden hatte. Ich werde ihn morgen früh wieder besuchen.
     
    20. Juli
    Sehr früher Besuch bei Renfield, noch bevor der Pfleger seine Runde gemacht hatte. Ich fand ihn schon auf den Beinen und vor sich hin summend. Er streute am Fenster seinen Zucker aus, den er sich aufgespart hatte, und begann offenbar wieder mit seiner Fliegenfängerei. Dabei schien er zufrieden, und er hatte auch gute Erfolge. Nach seinen Vögeln blickte ich mich vergeblich um, und fragte ihn daher, wo diese denn seien. Er erwiderte, ohne sich umzudrehen, sie wären alle fortgeflogen. Es lagen aber einzelne Federn im Zimmer umher, und auf seinem Kopfkissen war ein Tropfen Blut. Ich sagte nichts und ging wieder, beauftragte aber den Pfleger, mich sofort zu benachrichtigen, wenn sich im Laufe des Tages etwas Besonderes ereignen sollte.
     
    11 Uhr vormittags
    Soeben hat mich der Pfleger aufgesucht und mir gemeldet, dass Renfield sehr krank sei und eine Menge Federn erbrochen habe. »Ich glaube, Herr Doktor«, sagte er, »dass er seine Vögel gegessen hat. Er hat sie einfach gepackt und im rohen Zustand verzehrt!«
     
    11 Uhr abends
    Ich habe Renfield zur Nacht ein starkes Opiat gegeben, genug, dass selbst er schläft. Dann nahm ich sein Notizbuch an mich, |107| um es zu studieren. Es bestätigt die Ansichten, die ich bisher über seinen Fall gehabt habe.
    Mein Mörder in Wartestellung ist von ganz eigener Art; ich muss einen neuen Begriff für seinen Wahnsinn prägen. Ich glaube, ich nenne ihn einen
Zoophagus,
einen Fresser lebendiger Wesen. Sein Verlangen besteht darin, so viele lebendige Wesen zu absorbieren wie möglich, und sein Verfahren ist kumulativer Art: Er verfütterte viele Fliegen an eine Spinne und viele Spinnen an einen Vogel. Schließlich wollte er eine Katze, auf dass diese die vielen Vögel fresse. Was wären seine nächsten Schritte gewesen? Fast reizt es mich, ihn das Experiment zu Ende bringen zu lassen. Dazu wäre natürlich ein hinreichender Grund vonnöten. Allerdings: Man hat auch über die Vivisektion gespottet, aber man sehe nur ihre

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