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Dracula - Stoker, B: Dracula

Dracula - Stoker, B: Dracula

Titel: Dracula - Stoker, B: Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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war, stur auf dem Bettrand sitzen.
    Ich bin heute Abend müde und verstimmt. Ich muss immer an Lucy denken. Hätte es denn nicht auch anders mit uns kommen können? Wenn ich nicht bald Schlaf finde, werde ich Chloral nehmen, den modernen Morpheus 3 – C 2 HCl 3 O · H 2 O! Ich muss nur vorsichtig sein, dass es nicht zur Gewohnheit wird. Oder nein, ich nehme heute keines! Ich habe an Lucy gedacht und will diesen Gedanken nicht entweihen. Wenn es sein muss, gibt es eben eine schlaflose Nacht …
     
    |151| Später
    Froh hatte ich diesen Entschluss gefasst – froher noch bin ich, dass ich ihn auch gehalten habe! Ich hatte unruhig dagelegen und die Glocke nur zweimal schlagen hören, als der Nachtwächter zu mir kam und mir im Auftrag des Pflegers meldete, dass Renfield entflohen sei. Ich fuhr in meine Kleider und eilte sofort hinunter; mein Patient ist eine viel zu gefährliche Person, um ihn allein umherstreifen zu lassen – seine größenwahnsinnigen Ideen könnten schlimmste Folgen zeitigen! Der Pfleger wartete bereits auf mich. Er sagte, er habe ihn vor noch nicht einmal zehn Minuten schlafend in seinem Bett gesehen, als er durch das Guckloch in der Tür schaute. Im Weitergehen wurde er durch das Geräusch eines sich öffnenden Fensters alarmiert. Er rannte zurück und sah gerade noch die Füße des Patienten im Fenster verschwinden, dann schickte er sofort zu mir. Der Flüchtling war nur mit dem Nachthemd bekleidet und konnte noch nicht allzuweit weg sein. Der Pfleger hatte es für zweckmäßiger gehalten, Renfield vom Fenster aus zu beobachten und die Richtung seiner Flucht festzustellen, anstatt ihm hinterherzuklettern, wodurch er ihn wahrscheinlich nur aus den Augen verloren hätte. Er ist ein kräftiger Mann und hätte ohnehin nicht durch das Fenster gepasst, da ich schlanker bin, kam ich mit seiner Hilfe hinaus. Das Fenster liegt nicht sehr hoch, und ich landete unversehrt mit den Füßen voran. Der Pfleger rief mir nach, dass der Patient sich nach links geschlagen habe und dann geradeaus gelaufen sei, und ich rannte, so schnell ich konnte, in die bezeichnete Richtung. Als ich die Baumreihen erreicht hatte, sah ich eine weiße Gestalt auf der großen Mauer, die unsere Anstalt von dem verlassenen Nachbargrundstück trennt.
    Ich eilte sofort zurück und befahl dem Aufseher, drei bis vier Mann zu holen und auf das Carfax-Grundstück zu kommen, hielt ich es doch für sehr wahrscheinlich, dass unser Mann gewalttätig werden würde. Dann holte ich eine Leiter, stieg auf die Mauer und sprang auf der anderen Seite hinunter. Ich sah Renfield gerade noch |152| um die Hausecke biegen und lief hinter ihm her. Auf der andern Seite des Hauses beobachtete ich ihn dann, wie er sich an die alte, eisenbeschlagene Tür der Kapelle presste. Er sprach offenbar mit irgendjemandem, aber alleine wagte ich es nicht, so nahe an ihn heranzugehen, dass ich seine Worte hätte verstehen können; vielleicht hätte ich ihn erschreckt, und er wäre davongelaufen. Einen Bienenschwarm einzufangen ist gar nichts gegen die Verfolgung eines unbekleideten Irren auf der Flucht. Bald merkte ich jedoch, dass er von seiner Umgebung gar keine Notiz nahm, und so riskierte ich es doch noch, mich näher heranzuschleichen. Meine Leute hatten zudem bereits ebenfalls die Mauer überstiegen und waren nahe bei der Hand. Ich hörte ihn also sagen:
    »Meister, ich stehe zu Eurer Verfügung! Ich bin Euer Sklave und Ihr werdet mich belohnen, denn ich diene Euch treu! Ich habe Euch seit langem aus der Ferne verehrt, nun aber seid Ihr endlich da, und ich erwarte Eure Befehle. Ihr werdet mich nicht übergehen, nicht wahr, teurer Meister, wenn Ihr gute Dinge verteilt?«
    Er ist wirklich ein egoistischer alter Bettler, selbst vor seinem eingebildeten Herrn und Meister sucht er nur seinen Profit. Seine Wahnideen sind fürwahr eine seltsame Kombination. Als wir ihn schließlich festnahmen, wehrte er sich wie ein Tiger. Er ist äußerst stark und gleicht eher einer wilden Bestie als einem Menschen. Ich habe noch nie bei einem Irren einen solchen Paroxysmus 4 der Wut gesehen und verspüre auch gar kein Verlangen danach, allzu oft mit so etwas zu tun zu haben. Es ist gut, dass wir seine Kraft und Gefährlichkeit rechtzeitig erkannt haben. Mit seiner Entschlossenheit hätte er viel Schlimmes anrichten können, wenn wir ihn nicht so schnell wieder gefasst hätten. Aus der Zwangsjacke, die wir ihm nun angelegt haben, könnte sich sogar ein Jack Sheppard 5 nicht befreien –

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