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Dracula - Stoker, B: Dracula

Dracula - Stoker, B: Dracula

Titel: Dracula - Stoker, B: Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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verdient betrachten, und sein Bruder hier soll noch dazukommen, wenn Sie mir Ihre Meinung darüber sagen wollen, was voraussichtlich weiter geschehen wird.«
    »Sie haben ganz recht, Sir«, sagte er ernsthaft. »Sie werden mir den Spaß doch nicht verübeln, nicht wahr? Es war ja auch nur, weil die alte Dame da mir ständig zugeblinzelt hat, sonst hätte ich es niemals gewagt!«
    »Habe ich nicht!«, sagte seine Frau.
    »Meine Meinung ist die, dass der Wolf jetzt irgendwo herumstreift. Der Gärtner, der sich nun genauer erinnern will, sagt, er hätte ihn nordwärts laufen sehen, schneller als ein Pferd galoppieren kann. Aber ich glaube ihm nicht recht. Denn sehen Sie, Sir, ein Wolf kann nicht so schnell laufen, und ein Hund kann es auch nicht, sie sind dazu gar nicht gebaut. Wölfe sind ja etwas recht Hübsches in Märchenbüchern, und ich glaube recht gern, dass, wenn sie in Rudeln kommen und über etwas herfallen, das |206| noch ängstlicher ist als sie selbst, sie furchtbaren Spektakel machen und es zerreißen, was immer es auch sein mag. Aber bei Gott, in Wirklichkeit ist so ein Wolf eine ganz erbärmliche Kreatur, nicht halb so klug wie ein guter Hund, und es ist nicht ein Achtel so viel Kampfgeist in ihm. Berserker ist es überhaupt nicht gewohnt zu kämpfen, er kann nicht einmal für sich selbst sorgen. Er wird wahrscheinlich in der Nähe des Parks herumstreifen und sich überlegen, wenn er denn denken kann, wo er sein Frühstück herbekommt. Oder er gerät irgendwo in einen Hof und wird in einem Kohlenkeller eingesperrt. Mein Gott, wird das die Köchin erschrecken, wenn sie hinunterkommt und seine grünen Augen sieht, die sie aus dem Dunkel anstarren! Wenn er kein Futter bekommt, so wird er sich wohl nach etwas umsehen müssen; vielleicht gelingt es ihm ja, irgendwo in einen Fleischerladen einzubrechen. Gelingt es ihm nicht und findet er im Park einen unbeaufsichtigten Kinderwagen, während das Kindermädchen mit ihrem Soldaten schöntut, nun, dann sollte es mich nicht wundern, wenn bei der nächsten Volkszählung ein Baby fehlt. Das ist alles.«
    Ich händigte ihm daraufhin gerade den zweiten halben Sovereign aus, als plötzlich etwas ans Fenster polterte und Mr. Bilders Gesicht sich vor Überraschung in die Länge zog.
    »Gott sei mir gnädig!«, rief er. »Da ist wirklich der alte Berserker von selbst heimgekommen!«
    Er ging zur Tür und öffnete sie – eine in meinen Augen höchst ungeschickte Tat, denn ich vertrete die Ansicht, dass ein wildes Tier immer dann am besten aussieht, wenn sich zwischen ihm und mir ein Hindernis von garantierter Unüberwindbarkeit befindet. Ein persönliches Erlebnis hat diese Überzeugung in mir eher verstärkt als abgeschwächt.
    Allerdings ist es so eine Sache mit den Ansichten, denn Bilder und seine Frau dachten nicht anders an das Tier, als ich wohl an einen Hund gedacht hätte. Berserker selbst benahm sich so friedfertig und gesittet wie der Vater aller Märchenwölfe, nämlich |207| Rotkäppchens ehemaliger Freund, der sich bekanntlich in Verkleidung das Vertrauen des Kindes erschleichen wollte.
    Das ganze Erlebnis war ein unbeschreibliches Gemisch von Komik und Pathos. Der gefürchtete Wolf, der einen halben Tag lang London in lähmenden Schrecken versetzt und die Kinder in der ganzen Stadt vor Angst hatte schlottern lassen, war reumütig zurückgekehrt und wurde aufgenommen und verhätschelt wie der verlorene Sohn. Der alte Bilder betastete ihn von oben bis unten mit zarter Sorge, und als er die Untersuchung beendet hatte, sagte er:
    »Na bitte, ich wusste ja, dass dem dummen Tier etwas passieren würde! Habe ich es nicht gleich gesagt? Sein ganzer Kopf ist zerschnitten und gespickt mit Glasscherben, er muss über so eine verdammte Mauer geklettert sein! Es ist ein Skandal, dass es gestattet ist, den oberen Rand von Mauern mit zerbrochenen Flaschen zu belegen. Das ist dann das Resultat! Komm mit, Berserker!«
    Und er nahm den Wolf und sperrte ihn in den Käfig zusammen mit einem Stück Fleisch, das die Größe eines gemästeten Kalbes hatte. Darauf ging er, um Meldung zu machen.
    Ich aber machte mich ebenfalls auf den Weg, um die einzigen Exklusivinformationen zu liefern, die heute über die seltsame Flucht aus dem Zoo erhältlich sind.
     
    Dr. Sewards Tagebuch
     
    17. September
    Ich war nach Tisch in meinem Arbeitszimmer damit beschäftigt, Einträge in meine Bücher zu machen, die wegen anderweitiger Arbeit und wegen der häufigen Besuche bei Lucy etwas im

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