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Dracula - Stoker, B: Dracula

Dracula - Stoker, B: Dracula

Titel: Dracula - Stoker, B: Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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Tür. Dann hörte ich draußen im Gebüsch ein Geheul wie von einem Hund, nur wilder und tiefer. Ich ging ans Fenster und sah hinaus, konnte aber nichts bemerken als eine große Fledermaus, die offenbar immer mit ihren Flügeln an mein Fenster geschlagen hatte. So begab ich mich wieder in mein Bett und versuchte weiter wach zu bleiben. Plötzlich öffnete sich die Tür und meine Mutter sah herein. Sie bemerkte, dass ich noch wach war, kam herbei und setzte sich an mein Bett. Sie sagte zu mir, freundlicher und zärtlicher als je:
    »Ich habe mich um dich geängstigt, mein Kind, und kam her, um zu sehen, ob alles in Ordnung ist.«
    Ich befürchtete, sie könnte sich erkälten, wenn sie so dasäße, und lud sie ein, hereinzuschlüpfen und bei mir zu schlafen. So legte sie sich neben mich. Sie legte ihren Schlafrock nicht ab, denn sie wollte, wie sie sagte, nur eine Weile bleiben und dann in ihr eigenes Bett zurückkehren. Als wir einander so in den Armen lagen, begann das Klatschen und Flattern am Fenster von neuem. Überrascht und auch ein wenig erschreckt rief sie: »Was ist das?« |211| Ich versuchte, sie zu beruhigen. Es gelang mir schließlich auch, und sie lag wieder still, aber ich konnte ihr schwaches Herz laut klopfen hören. Nach einiger Zeit ertönte draußen im Gebüsch wieder das tiefe Geheul. Kurz darauf wurde unser Fenster eingeschlagen, unzählige Glassplitter prasselten auf den Boden und der Wind blies den Vorhang zur Seite: Im zerbrochenen Fenster erschien der Kopf eines großen, mageren, grauen Wolfes. Mutter schrie vor Entsetzen, fuhr auf und griff auf der Suche nach etwas Schützendem wild um sich. Dabei erfasste sie auch den Blütenkranz, den um den Hals zu tragen mir van Helsing streng befohlen hatte, und riss ihn ab. Ein oder zwei Sekunden saß sie noch wie betäubt auf den Wolf deutend da, während ein seltsames, schreckliches Gurgeln aus ihrer Brust drang. Dann fiel sie, wie vom Blitz getroffen, zurück, und ihr Kopf schlug schwer gegen meine Stirn, was mich für einen Moment benommen machte. Das Zimmer schien sich um mich herum zu drehen. Ich sah starr zum Fenster, aber der Wolf zog seinen Kopf zurück und Tausende von fliegenartigen, kleinen Funken wurden durch die zerbrochenen Scheiben hereingewirbelt und tanzten im Kreis. Es sah aus wie eine der Sandsäulen des Samum 5 , von denen die Wüstenreisenden berichten. Ich wollte mich bewegen, aber ich war wie gebannt, und der Körper meiner armen Mutter, der bereits kalt zu werden schien, denn ihr liebes Herz hatte zu schlagen aufgehört, drückte mich nieder. Dann schwand mir für einige Zeit das Bewusstsein.
    Es mag nicht sehr lange gedauert haben, bis ich wieder bei mir war, aber es waren sehr schreckliche Minuten. Irgendwo in der Nähe läutete eine Totenglocke. Die Hunde rings in der Nachbarschaft heulten, und im Gebüsch unseres Gartens, gerade vor dem Fenster, sang eine Nachtigall. Ich war verstört und starr vor Schmerz, Angst und Schwäche, aber der Gesang der Nachtigall klang mir wie die Stimme meiner toten Mutter, die zurückgekehrt |212| schien, um mich zu trösten. Der Lärm hatte offenbar auch die Zimmermädchen geweckt, denn ich konnte ihre nackten Füße draußen vor der Tür tappen hören. Ich rief nach ihnen, und sie kamen herein. Der Wind fuhr durch das zerbrochene Fenster und schlug die Tür zu. Als die Mädchen meine tote Mutter und die Scherben sahen, schrien sie auf. Sie hoben den Leichnam von mir herunter, sodass ich aufstehen konnte, und legten meine Mutter dann wieder aufs Bett zurück. Alle waren so erschrocken und aufgeregt, dass ich ihnen sagte, sie sollten zunächst kurz ins Speisezimmer gehen und dort ein Glas Wein trinken. Erneut stieß der Wind die Tür auf und schlug sie krachend wieder zu, worauf die Mädchen laut schreiend hinuntereilten. Ich legte alles, was ich noch an Blüten finden konnte, meiner armen Mutter auf die Brust. Kaum war ich damit fertig, da erinnerte ich mich an van Helsings Anordnung, aber ich wollte den Schmuck nicht wieder von meiner Mutter wegnehmen, und für den Rest der Nacht konnte ja eines der Mädchen bei mir wachen. Ich wunderte mich dann, dass keines von ihnen zurückkam. Auch auf mein Rufen bekam ich keine Antwort, deshalb begab ich mich schließlich ins Speisezimmer, um nach ihnen zu sehen.
    Hier fuhr mir ein neuer Schrecken durch die Glieder, als ich sah, was geschehen war: Die Mädchen lagen hilflos und schwer atmend auf dem Boden. Die Sherrykaraffe auf dem Tisch war halb

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