Draculas Eisleichen
beiden Händen ab, wollte ihn so halten, doch er fuhr herum, noch während ich ihn festhielt.
Er brüllte mich an.
Das war Haß, das war Feindschaft, das war aber auch die Gier nach Menschenblut.
Beide standen wir auf der Felskante. Dem Wiedergänger hätte es nichts ausgemacht, mich rücklings auf das Gestein zu schleudern, es wäre außerdem auch leicht gewesen, aber seine Kraft reichte einfach nicht aus. Die Arme rutschten ab, er taumelte zur Seite, wäre fast wieder in die Rinne gefallen, hätte ich nicht mit einem Schlag seine Schulter erwischt, so daß es ihn in eine andere Richtung trieb.
Er stolperte, fiel auf das Gestein, blieb bäuchlings liegen, und Golenkow richtete seine Silberkugel-Waffe gegen ihn.
Mein scharfer Ruf stoppte ihn, er zog den Zeigefinger zurück.
Der Vampir kam nicht mehr hoch.
Er versuchte es, indem er die Arme anwinkelte, doch auf die Füße konnte er sich nicht mehr quälen. Ein Stück drückte er sich nach oben, dann brach er endgültig zusammen und drehte dabei sein Gesicht, so daß wir ihn direkt anschauen konnten.
Es war furchtbar.
Wir waren einen derartigen Anblick gewohnt, nicht aber Mesrin, der bewußt zur Seite schaute, weil er nicht mit ansehen wollte, wie die Haut des Blutsaugers zerrann. Sie bildete Blasen; nässende Geschwüre entstanden, aus denen eine weißgelbe Flüssigkeit rann und sich in der auflösenden Haut verteilte, als wollte sie diese noch dünner machen.
Er verlor seine Augen. Sie kullerten, an Fäden hängend, aus den Höhlen hervor, und das Licht der Sonne sorgte dafür, daß er ausgebrannt wurde, denn trotz der Nässe stiegen dünne Rauchfaden aus seinem Körper, die sich zitternd und stinkend verteilten, so daß wir uns abwandten, um den Geruch nicht einatmen zu müssen.
Wir hatten ihn zwar befreit, aber gleichzeitig das Todesurteil über ihn gesprochen.
Er vertrocknete und zerfiel auf dem Gestein. Wir würden die Reste dort liegenlassen. Beim nächsten Sturm würden sie von den Wellen gepackt und weggespült werden.
»So ähnlich habe ich es auch gelesen«, sagte Mesrin mit tonloser Stimme. »Ja, so war es fast.«
»Was haben Sie gelesen?« fragte Suko.
»Dracula. Die Geschichte von Dracula. Es hat ihn tatsächlich gegeben, nicht wahr?«
»Ja, in Rumänien. Er war dort als grausamer Herrscher bekannt.«
»Und wir haben es mit Dracula II zu tun«, murmelte ich, denn ich war mittlerweile davon überzeugt, daß dieser Blutsauger zu Mallmanns Gefolge gehört hatte.
Wenn das stimmte, dann mußte sich auch Mallmann hier in der Nähe aufhalten.
Dracula II in Rußland!
Nicht schlecht. Das Land war weit, es war groß, es war fast unbewohnt.
Man konnte wochen- und monatelang laufen, ohne überhaupt einem Menschen zu begegnen. Für einen Vampirfürsten, der sich etwas aufbauen wollte, ein ideales Versteck.
»Sollen wir gehen?« fragte Wladimir.
Keiner hatte etwas dagegen.
Wir packten unsere Sachen zusammen und machten uns auf den Rückweg. Gesprochen wurde nicht viel, ein jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Mir fiel auf, daß sich Mesrin des öfteren umschaute und sein Blick immer ängstlicher wurde.
Ich sprach ihn darauf an. »Haben Sie was?«
Er zuckte zusammen, als er meine Stimme hörte. »Wieso? Wie kommen Sie darauf?«
»Ihre Blicke sind sehr mißtrauisch, ängstlich und auch auf eine gewisse Art und Weise wissend. Kann es sein, daß Sie uns etwas verschwiegen haben, Mesrin?«
»Nein, nein, überhaupt nichts.« Er ging schneller und wollte mir davoneilen.
Für mich war es der Beweis, daß er mich angelogen hatte…
***
Wir hatten einen freien Raum bekommen, in dem wir zusammenhockten.
Der Pilot hatte zwischendurch hineingeschaut und sich erkundigt, ob er gebraucht wurde.
Wladimir hatte verneint, ihn aber gebeten, sich in Bereitschaft zu halten.
Er war einverstanden gewesen und wollte sich nur mehr für eine Weile hinlegen.
Wir dachten nicht an Schlaf, sondern schauten Wladimir zu, der sich eine Karte besorgt hatte und versuchte, die Strömungsverhältnisse genau nachzuvollziehen.
»Von irgendwoher muß die Leiche doch gekommen sein, zum Teufel!«
»Bestimmt nicht aus der Hölle«, sagte ich. »Ach, hör auf.«
Ich tippte auf die Karte. »Ich sage dir, mein Freund, daß du es nicht schaffst. Vor der Küste lagern zahlreiche Inseln. Denk mal daran, wie die Strömung dort abgelenkt und verändert werden kann. Da blickst du als Laie nicht durch.«
»Wer sagt dir denn, daß ich ein Laie bin?«
Suko, der in einem schmalen
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