Draculas Eisleichen
stehenblieb, da stieß er einen lauten Ruf aus.
Auf mich klang er erleichtert. Mesrin drehte sich, mit dem Zeigefinger wies er in die Tiefe. »Die Scholle klemmt fest!« meldete er. »Der Vampir ist auch hoch da.«
Wir standen Sekunden später neben ihm, schauten in die Rinne zwischen den beiden Felsen und sahen die Eisplatte, die sich tatsächlich samt Inhalt dort hineingebohrt hatte.
Ja, es stimmte.
In der Fläche zeichnete sich deutlich eine dunkel gekleidete Gestalt ab, deren Mund offenstand.
Obwohl die Sonne das Eis noch nicht getaut hatte, erkannten wir, daß dort ein Vampir eingeschlossen war…
***
In den folgenden Sekunden sprach keiner von uns. Suko und ich waren nicht so abgebrüht, daß uns kein Schauer über Hals und Rücken gelaufen wäre. Einen Blutsauger, in einer Eisscholle eingefroren, hatten wir auch noch nicht erlebt.
Immer wieder drückte das Meer salziges, graugrünes, schäumendes Wasser in die Rinne hinein, das auch die Eisplatte überschäumte und das Gesicht des Vampirs so aussehen ließ, als würde es in den nächsten Augenblicken zerfließen.
Ich ging als erster in die Hocke, weil ich mir die Gestalt aus nächster Nähe anschauen wollte. Immer wenn das Wasser wieder der See entgegenfloß, konnte ich ihn besser erkennen.
Auch wenn es sicherlich Unsinn war, aber für meinen Geschmack paßte der Blutsauger nicht in diese Gegend. Er war dafür nicht ›angezogen‹.
Ich weiß, es klingt paradox, bei Vampiren spielt die Kleidung keine Rolle, aber ich dachte daran, daß diese Gestalt nur mehr dünne Kleidung am Körper trug.
Mich interessierte besonders sein bleiches Gesicht. Ich glaubte nicht, ihn zu kennen, aber ich wollte etwas Bestimmtes herausfinden, und Suko wollte es ebenfalls.
»Hast du den Eindruck, John, daß er zu den Männern gehört hat, die Mallmann aus dem Harem geschafft hat?«
»Ich weiß nicht.«
»Dann hacken wir ihn frei.«
»Dafür bin ich auch.«
Wir erklärten Mesrin und Wladimir Golenkow unser Vorhaben. Sie waren einverstanden und hatten die entsprechenden Geräte bereits abgeladen.
Der Schneidbrenner war für uns am wichtigsten. Suko bot sich an, ihn zu führen, und wir hatten nichts dagegen.
Mein Freund setzte die Schutzbrille auf und machte sich an die Arbeit.
Mit einem Puffen hatte das aus dem Brenner strömende Gas Feuer gefangen. Es brannte in einer blaßblauen Flamme. Das Zischen hörte sich an, als wäre ein Ungeheuer dabei, stets auszuatmen.
Die Flammenspitze fraß sich durch die dicke Eis- Schicht. Sie war wie ein warmes Messer, und Suko führte sie so gut, als hätte er nicht etwas anderes im Leben gemacht.
Er schnitt das Eis nicht dort ein, wo der Blutsauger lag, sondern darum herum.
Kleinere Stücke fielen ab und wurden von zurückweichenden Wasserstrudeln der offenen See entgegengezerrt. Auch die eigentliche Platte bewegte sich jetzt. Sehr gefährlich schaukelte sie auf und nieder.
Wenn wir nicht achtgaben, würde sie ebenfalls ein Opfer des Wassers werden und der Vampir gleich mit ihr. Deshalb griffen wir zu den Spitzhacken und hämmerten sie in die Eisscholle.
Da wir sie in das Material etwa eine Fingerlänge hineingetrieben hatten, gelang es uns auch, sie festzuhalten. Was gar nicht so einfach war, denn das zurückströmende Wasser besaß eine große Kraft und wollte seine Beute mit sich reißen.
Immer wieder drehte sich die Platte, und Suko mußte aufpassen, daß die Schneidbrenner-Flamme nicht den Körper des Vampirs erwischte und ihn in zwei Hälften teilte.
Wir hatten auch Haken mitgenommen. Lange Eisenstangen, die unten Krümmungen zeigten.
Mesrin holte sie. »Wir können es ja versuchen«, sagte er. Auch Suko war einverstanden.
Nach einigem Mühsal gelang es uns, die vier Haken an verschiedenen Stellen der sehr klein gewordenen Eisplatte festzuklammern. Sie bedeckte soeben noch den Körper des Blutsaugers, der so starr darin lag wie ein Toter in einem Sarg.
Sein Gesicht sah ich jetzt besser. Wenn mich nicht alles täuschte, war es bereits dabei, in den Zustand der Verwesung überzuwechseln.
Wahrscheinlich hatte er das Licht der Sonne doch nicht so vertragen. Die Strahlen waren zu warm gewesen, um von der gesamten Eismasse abgehalten zu werden.
Wie schwer gefrorenes Wasser sein kann, erlebten wir in den folgenden Minuten. Wir mußten dreimal ansetzen, um die Platte zunächst einmal kanten zu können.
Immer wieder drohte sie aus den Haken hervorzurutschen und wieder im gurgelnden Wasser zu verschwinden.
Wir kämpften
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