Draculas Eisleichen
verbissen, nahmen auch die Hände zu Hilfe und hatten es schließlich geschafft, sie so zu kanten, daß wir sie auf die Felsen zerren konnten.
Geschafft! Zwischen uns lag die Platte, lag der Vampir, und wir atmeten, als hätten wir einen Langstreckenlauf hinter uns.
»Zerhacken wir den Rest, oder soll ich noch einmal kurz durchpusten?« fragte Suko.
Wir entschieden uns für das Schmelzen.
Suko hatte üben können und war zu einem Meister seines Fachs geworden. Er ging die Eisplatte so vorsichtig an wie ein Chirurg den Patienten auf dem OP-Tisch.
Mir fiel auf, daß sich Mesrin des öfteren umschaute. Vorher hatte er kräftig mitgeholfen, nun aber schien er mit seinen Gedanken nicht so recht bei der Sache zu sein. Da war irgend etwas, das ihn belastete.
Ich sagte nichts, sondern schaute Suko zu und war froh, wenn ich immer wieder das Knacken hörte. Ein Zeichen dafür, daß wieder ein Stück Eis wegbrach.
Der Vampir lag in der Sonne. Sie taute auch mit. Es hatte sich längst Wasser gebildet, das seinen Weg durch die zahlreichen Ritzen und engen Rinnen der Felsen fand, um anschließend durch den Kanal in Richtung Meer gezerrt zu werden.
Wladimir und ich hackten mit kleineren Eispickeln nach und standen Suko zur Seite.
Wir legten zuerst die Füße frei, danach den Oberkörper, und das Eis verwandelte sich in eine kleine Wasserflut.
Die Brust, das Gesicht.
Suko war noch vorsichtiger geworden. Waagerecht strich er mit der Flamme über das Eis.
Es verwandelte sich in Wasser, was wiederum der Fratze des Blutsaugers eine irre Verzerrung gab, so als würde jemand ausprobieren, welches Gesicht ihm am besten stand, denn der Ausdruck wechselte alle paar Sekunden.
Suko richtete sich auf. »Okay, er ist frei!« Dann trat er zurück, schaltete das Gerät ab, und wir schauten nach, was mit dem Blutsauger geschah.
Er rührte sich nicht.
Die letzten Tropfen liefen an seiner Gestalt und dem Gesicht entlang nach unten. Er lag frei. Wir atmeten auf.
Ich bückte mich von der rechten Seite her zu ihm herab. Suko tat es mir gegenüber nach. Das Gesicht interessierte uns.
Wir hatten uns nicht getäuscht. Das Licht der Sonne mußte trotz der dicken Eisschicht durchgekommen sein und hatte auf dem Gesicht erste Spuren der Verwesung oder des Zerfalls hinterlassen.
Die Haut an der Stirn sah aus wie Pudding, in den jemand ein Muster hineingedrückt hatte. Seine Lippen wirkten wie verbrannt. Sie waren nicht mehr blaß, sondern mittlerweile braun geworden.
Trotzdem stand der Mund noch offen, und wir erkannten die beiden spitzen Vampirzähne.
Ja, er sah klassisch aus.
»John, schau dir die Kleidung an.«
»Meinst du, er gehörte zu den aus dem Harem?«
»Davon bin ich überzeugt.«
Ich erinnerte mich an die Flucht des Will Mallmann und daran, welche Personen er alle mitgenommen hatte. Es waren Afrikaner gewesen, Menschen mit dunklerer Haut, aber davon war bei diesem Blutsauger nichts zu sehen. Er war unnatürlich bleich, als hätte sein Dasein als Vampir dem Körper alle Pigmente entrissen. [1]
Seine Arme lagen zu beiden Seiten sehr dicht an den Hüften und Beinen. Auf den gestreckten Händen zeichneten sich ebenfalls Spuren der Verwesung ab, und jetzt, als er dem direkten Licht der Sonne ausgesetzt war, breitete sich der Zerfall auch ohne unser Zutun fort.
An gewissen Stellen bildeten sich Blasen, die aussahen wie Geschwüre.
Sogar unter der dünnen Kleidung entstanden sie und beulten sich auf.
Bisher hatte der Vampir regungslos vor uns gelegen, das änderte sich schlagartig, denn plötzlich schleuderte er seine Arme in die Höhe, öffnete den Mund und stieß einen irren Schrei aus. Der Blutsauger war erwacht!
Wir hatten die Bewegung gesehen, den Schrei gehört und waren beide zurückgezuckt.
Auch Golenkow und Mesrin hatte es nicht mehr auf ihren Plätzen gehalten. Sie waren ebenfalls zur Seite gewichen. Golenkow griff nach seiner Waffe, während Mesrin einfach nur entsetzt aussah, weil der Vorgang für ihn unbegreiflich war. Er wollte noch eine Frage stellen, aber die weiteren Aktivitäten des Blutsaugers erstickten sie noch im Ansatz.
Die Gestalt hatte wohl ihre letzten Kräfte sammeln können. Nicht nur der Schrei war ihr gelungen, sie schaffte es auch, sich in die Höhe zu stemmen, drehte sich, und Suko drosch blitzschnell zu, weil der Blutsauger sonst abgerutscht und in die Rinne gefallen wäre, wo ihn das Wasser sicherlich ins Meer geschwemmt hätte.
Statt dessen kippte er in meine Richtung. Ich fing ihn mit
Weitere Kostenlose Bücher