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Draculetta: Eine Bestürzung in Transsylvanien (German Edition)

Draculetta: Eine Bestürzung in Transsylvanien (German Edition)

Titel: Draculetta: Eine Bestürzung in Transsylvanien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Reimertz
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war das eines Angeschossenen. Ich tastete uns beide ab und erstarrte. Der Dirigent war seines Stabes verlustig gegangen. Die Zähne hatten zugeschnappt. Ich hatte nichts geringeres als ein Fallbeil zwischen den Beinen, und dieses hatte sich soeben zum ersten Mal in Gang gesetzt.«
    Die Unglückliche stand auf und ging im Zimmer auf und ab. Dann blieb sie vor der Fensterbrüstung stehen und schaute auf Transsylvanien hinunter. Inzwischen war es Mittag geworden, und die Sonne lag über dem Land, das eines der schönsten in Europa genannt werden kann. Wie eine Ohrfeige schlug mich der Gedanke, daß diese Frau es verdiente, glücklich zu sein, daß sie es aber nicht sein konnte, nur weil sie ein paar Zähne zuviel hatte.
    »Da wollte ich endlich das Leben haben!« rief sie. »Und bringe meinen Retter fast um. Und stelle fest, daß ich keine richtige Frau bin. Nur halb Frau, halb Schafott. Und das heute noch!« Die Fürstin stieß einen Schrei aus und sank vor dem Fenster zusammen. Ich hatte gerade noch Zeit sie aufzufangen. Auf den Schrei standen Uruquates und die Comtesse du Moulin im Zimmer, sie mußten nah gewesen sein. Wir betteten die Fürstin auf eine Chaiselongue, und die Kleine hielt ihr ein Fläschchen an die Nase. Die Herrscherin erwachte und machte den beiden ein Zeichen, worauf sie verschwanden.
    Sie atmete durch und sagte: »Was meinen Sie, wie mir der Dirigent leid tat! Zum Glück sind die Böhmen Meister der Plastischen Chirurgie, wie sie ja auch die sinnreichsten Zeichentrickfilme zusammenbasteln. In diesen beiden Disziplinen wird ihnen, ebensowenig wie im Bierbrauen, niemand etwas vormachen. Wir hatten also Glück, daß wir in Prag waren und nicht im Ausland. Der Maestro wurde sofort in die Klink geschafft, und da konnte man ihm sein bestes Stück wieder annähen. Er hat aber nie mehr ein Wort mit mir gesprochen und wurde bleich wie ein leeres Notenblatt, wenn er mir irgendwo begegnete.«
    Tränen glitzerten auf ihrem Gesicht. Was konnte diese Frau dafür, deren Leben Liebe war, daß eine Laune der Natur sie mit einer teuflischen Vorrichtung versehen hatte?
    »Was sollte ich nur machen, Herr Doktor? Von diesem Tag an empfand ich mich selbst als Monster. Ich konnte mich nicht mehr sehen. Sie haben sicher bemerkt, daß alle Spiegel hier aus der Temeschburg entfernt sind.«
    Sie nahm meinen Arm und dirigierte mich ins Nachbarzimm er, einen Blumensaal, in dem im Stil römischer Villen vielfältige Vegetation auf die Wände gemalt war.
    »Sehen Sie«, sagte die Fürstin und hielt sich an meinem Arm geradezu fest, »ich bin ebenso für das Leben, die Freude und die Liebe zu einem Mann geboren wie andere Frauen auch. Vielleicht sogar noch mehr. Und doch bin ich von dem ausgeschlossen, was ich mir am meisten wünsche. Nicht etwa, weil ich zu wenig habe, sondern weil ich zuviel habe.« Sie stampfte mit dem Fuß auf und schnaubte wie eine wütige Stute. »Nämlich ein paar Zähne zuviel!«
    Ich wagte nicht, sie anzuschauen, weil ich mich vor dem Gesichtsausdruck der Fürstin ebenso fürchtete wie vor ihren Tränen.
    »Aber ich habe nicht nur Zähne zuviel, ich habe auch zuviel Liebe und zuviel Zärtlichkeit. Und mit dieser wollte ich einen Mann glücklich machen. Und ich will es noch! Aber statt eines Heimes der Lust und Liebe hat mir die Natur dieses Löwenmaul gegeben, um das ich sie nicht gebeten habe. Als Fürstin-Witwe in jungen Jahren habe ich auch nach dem Vorfall mit dem englischen Dirigenten noch Verehrer gehabt.«
    »Haben Sie die Liebe wieder versucht?«
    »Die Liebe versucht… Ja, so kann man es sagen. Die Männer und mich selbst habe ich in Versuchung geführt. Leider mußte ich schnell einsehen, daß die Sache mit dem Dirigenten kein Unfall war. Auch mein nächster Liebhaber, ein amerikanischer Immobilien-Tycoon, der sich sehr in mich verliebt hatte, ging seiner Extremität verlustig, nachdem es ihm gelungen war, das Feuer in mir anzufachen und mich beinah zu jener Höhe zu führen, die ich noch nie erreicht habe. Doch statt Erleichterung zu versprühen und endlich das Ziel zu erreichen, biß die unerbittliche Natur wieder zu. Diesmal wußte ich gleich, was der Schrei zu bedeuten hatte, den mein Verehrer ausstieß. Da wir uns mitten in Manhattan befanden, war es kein Problem, ihn ins Spital zu schaffen. Doch wie ich hörte, haben die Amerikaner ihm sein Ding nicht mit ganz soviel Erfolg angenäht. Es heißt, es hinge nur noch herunter. Die Plastische Chirurgie ist selbst in den USA nicht auf dem

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