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Draculetta: Eine Bestürzung in Transsylvanien (German Edition)

Draculetta: Eine Bestürzung in Transsylvanien (German Edition)

Titel: Draculetta: Eine Bestürzung in Transsylvanien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Reimertz
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Diwan, Bett oder Fauteuil die Fürstin bereit war, mir jenen Einblick zu gestatten, dessen ich bedurfte, um meine Diagnose stellen und eine Behandlung vorschlagen zu können.
    Die Fürstin wandte den Kopf zur Fensterseite des Saales. Die bodentiefen Öffnungen gaben den Blick frei auf eine weite Landschaft, über der die Wolken sich verzogen. Die Gegend schien und glitzerte und versandete am Horizont im Märchenhaften. In diesem Augenblick wollte mir Transsylvanien als einer der schönsten Landstriche Europas erscheinen; die Magie des Moments lag aber wohl eher in Eleonore.
    Um d ie Konversation nicht ins Medizinische abzubiegen, zugleich aber in die richtige Richtung zu lenken, fragte ich die Fürstin, wie es ihren Kindern gehe.
    »Danke der Nachfra ge. Sind beide gut verheiratet. Dafür hat der Erzherzog gesorgt.«
    Nun mußte ich ihr doch jene Frage stellen, die ich schon vorbereitet hatte, von der ich aber nicht wußte, wie ich sie formulieren sollte.
    »Fürstin, haben Ihre besonderen anatomischen Verhältnisse bei den Geburten Probleme verursacht?«
    »Keineswegs, Herr Doktor. Sie müssen wissen, daß mit der Pubertät auch die beiden Zahnreihen an jener besonderen Stelle voll ausgebildet waren. Es verhielt sich sogar so, daß ich als junges Mädchen dachte, die ersten Blutungen hingen mit dem Wachsen der Zähne zusammen. Als ich fühlte und sah, was mir da wuchs, dachte ich zunächst natürlich, jede Frau hätte Zähne zwischen den Beinen. Meine Mutter und meine Tante haben dann jedoch den Hausarzt, den Zahnarzt, schließlich auch einen Frauenarzt und den Pfarrer konsultiert. Als ich vor den Herren die Beine spreizte und immer den gleichen Ausdruck der Bestürzung in ihrem Gesicht sah, wußte ich, daß etwas mit mir nicht stimmte.«
    »Hat es Sie geniert, als junges Mädchen diesen Honoratioren Einblick zu gewähren?«
    »Ein wenig, aber nicht so sehr, wie es ein bürgerliches Mädchen geniert hätte. Im Hochadel sind wir es seit Jahrhunderten gewohnt, in der Öffentlichkeit sogar zu gebären. Im übrigen sind Ärzte, ja sogar Pfarrer in unseren Augen so etwas wie Domestiken.« Und als hätte sie im Nachhinein begriffen, was sie da sagte, fügte die Fürstin hinzu: »Sie natürlich nicht, Herr Doktor Entenschnabel. Schon als ein international renommierter Spezialist, vor allem aber als Mitglied des Rumänischen Drachenordens sind Sie jedem Angehörigen des Adels gleichgestellt.«
    »Jetzt hat sie gerade noch einmal die Kurve gekriegt«, dachte ich und erinnerte mich jener Geschichte, nach der der Leibarzt von Kaiser Franz Joseph, der im Nebenzimmer des kaiserlichen Schlafgemachs übernachten mußte, in dasselbe hineinstürzte , weil sein Herr röchelte; wie der Kaiser, angesichts des Nachthemdes, in dem der Arzt erschien, sich vom Lager erhob und: »Frack!« rief, denn der Frack war das dem Leibarzt vorgeschriebene Kleidungsstück, wie seine Majestät darauf verschied, und wie das Wort Frack sein letztes blieb. So war der Herr von Österreich-Ungarn über einer Etikettefrage gestorben, und ich zweifelte nicht daran, daß auch meine Fürstin in der Choreographie des höfischen Zeremoniells weit weniger entspannt war als sie tat.
    »Es hat mich auch nicht geniert, als meine Mutter mit mir durch halb Europa und Amerika fuhr und mich allerlei Spezialisten vor führte, die mich von meinen überzähligen Zähnen befreien sollten«, fuhr die Fürstin fort. »Wenn immer ich die Beine spreizte, habe ich doch gehofft, daß der Herr am anderen Ende meines Körpers meinem Leiden, oder, wenn Sie so wollen, meiner zusätzlichen Begabung ein Ende bereiten könnte. Aber immer war es dasselbe. Weder die Zahnärzte, noch die Frauenärzte, noch die Chirurgen konnten mir helfen. Die Herren untersuchten mich, bekannten ihre Ratlosigkeit und publizierten einige Monate später einen medizinischen Aufsatz, aus dem bemerkenswerterweise nichts hervorging.«
    »Hat Ihre, wie Sie sich ausdrücken, zusätzliche Begabung, b ei Ihrer Eheschließung und der Geburt Ihrer Kinder zu Zwischen- oder Unfällen geführt?«
    » Keineswegs. Und das mag daran gelegen haben, daß ich außerordentlich früh, wenn Sie so wollen: unbewußt geheiratet und Kinder bekommen habe. Mich nahm ein viel älterer Mann zu Frau, Sohn und Tochter bekam ich schon vor zwanzig, und in dieser ganzen Zeit bereiteten meine zwei zusätzlichen Zahnreihen an jener unpassenden Stelle niemandem ein Problem. Ich glaube, mein Mann hat sie nicht einmal bemerkt.«
    Über diesen Satz

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