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Dragon 01: Der Schrein des schlafenden Gottes

Dragon 01: Der Schrein des schlafenden Gottes

Titel: Dragon 01: Der Schrein des schlafenden Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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sind wild geworden, und die Wildesten sind die Dunklen Wächter.«
    »Schon gut«, sagte sie leise und zwang sich, heiser zu sprechen, »mich wird schon keiner haben wollen.«
    Der Fleischer schob seinen knarrenden Karren fort. Amee blickte hinüber zum Gefängnis der Stadt. Es war ein kleiner Bau, umgeben von Pflaster und einem Geviert ausgetrockneter Ölbäume. Ringsherum starrten die Häuserfronten mit geschlossenen Läden. Die Menschen hier schlossen sich ein und warteten ergeben, was noch über sie kommen würde. Sie fürchteten den Zorn des Götzen.
    Amee stand auf und überquerte gebückt und leicht schwankend den Platz. Einen Fuß zog sie nach. Sie kauerte sich an der rissigen Mauer auf das Pflaster und verdeckte mit ihrem Körper das vergitterte Fenster. Sie wartete und lächelte.
    Gleich darauf rief eine heisere Stimme hinter ihr: »Warum rückst du nicht ein Stück weiter, Schwester? Du stiehlst uns das bißchen Licht.«
    Sie rückte eine Handbreit weiter und fragte halblaut: »Partho?«
    Eine aufgeregte Stimme erscholl von unten. Sie klang erschöpft, aber voll neuer Hoffnung.
    »Hier sind Nabib, der Händler, und ein ehemaliger Hauptmann, den ein trauriges Los in diesen Keller geworfen hat.«
    Eindringlich wiederholte Amee: »Partho?«
    »Ja! Wer will das wissen?«
    »Ich bin es, Amee. Wir werden versuchen, dich heute nacht zu befreien. Agrion und ich sind bei Iwa in guten Händen.«
    »Heute nacht, Prinzessin?« Partho klang erleichtert.
    »Ja, heute nacht. Ich werde versuchen, den Wächter abzulenken!«
    »Suchst du Erfolg, liebste Freundin«, sagte der Händler, »dann biete ihm die Reize deines Leibes an. Er wird nichts anderes mehr sehen!«
    »Ich werde den Rat beherzigen!« sagte Amee und stand auf. Niemand sah ihr nach.
    Hin und wieder begegnete sie einem Bewohner der alten Stadt. Sie schlich auf Umwegen zurück zu Iwa und fiel, nachdem Agrion aufgewacht war und etwas Eßbares gebracht hatte, in einen tiefen Schlaf der Erschöpfung. Sie hatte weder die Tonflasche mit dem Schlaftrunk gebraucht noch den Dolch. Einige Stunden später, als Iwa zurückkam, wachte Amee wieder auf. Zu ihren Füßen schlief, zusammengerollt wie eine Katze, das Mädchen Agrion.
    Amee legte einen Finger an die Lippen. Dann fragte sie flüsternd: »Iwa! Sind die Pferde da?«
    »Ja. Fünf Tiere.«
    Sie begann, Pergamente und Säckchen voller trockener Kräuter in Kisten zu verpacken und diese Kisten in einem Hohlraum der Wand zu verstecken.
    Als sie fertig war, sagte Amee: »Nimm das Mädchen mit und reite zum Ersten Diener Damos. Warne die Frauen und Männer. Sage ihnen, daß Partho und ich nachkommen, sobald wir können.«
    »Ich werde alles tun. Verlasse dich auf mich. Und jetzt schlafe weiter!«
    Die Prinzessin wußte, daß ihre alte Amme alles richtig machen würde. Wenn niemand mehr einen Rat wußte, fand Iwa einen Ausweg. In der Zeit, als sie ihre Söhne von Soldaten oder Händlern bekam, bevor sie ihre Schönheit verlor, hatte sie gelernt, sich durchzuschlagen. Amee atmete tief, dann schlief sie ein.
    Eine Stunde später ritten zwei Frauen aus der Altstadt heraus und kamen mit ihren dürren Mähren an das Tor der Ebene. Es stand weit offen. Die Wachen schnarchten und schliefen ihren Rausch aus. Die großen Körbe, die beiderseits der Sättel angeschnallt waren, enthielten Schnüre und Sicheln. Als die Pferde sich so weit von der Stadtmauer entfernt hatten, daß man sie nicht mehr deutlich erkennen konnte, warf Iwa die Körbe in ein Gebüsch.
    Sie ritten, so schnell sie konnten, in die Richtung des kleinen Tempels am Hügel. Er war umgeben von Bäumen, Viehweiden und Feldern.
    Langsam füllten sich am späten Abend die Gassen. Die Kühle der Nacht trieb die Menschen aus den stickigen Häusern. Zwischen den Frauen und Kindern, den unschlüssigen Männern und den zahnlosen Alten gingen die Träger der schwarzen Kutten umher und flüsterten ihre Drohungen. In zwei Tagen, sagten sie, würde die Sonne vom Himmel verschwinden. In zwei Tagen würden sie den Schrein zerschmettern und die Unheilsbringer, die Weisen der Berge, vertreiben. In zwei Tagen …
    Geräusche aus der Gasse weckten Amee. Sie sah sich um und bemerkte, daß Iwa und Agrion fort waren. Sie holte ein Stück Glut aus dem Feuer, entzündete damit einen Span, blies darauf und zündete eine Kerze an. Iwa hatte ihr Wein zurückgelassen, mit Wasser vermischt, Braten und einen Fladen Brot. Langsam aß und trank die Prinzessin, dann öffnete sie die knarrende Tür

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