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Dragon 01: Der Schrein des schlafenden Gottes

Dragon 01: Der Schrein des schlafenden Gottes

Titel: Dragon 01: Der Schrein des schlafenden Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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zu den Dingen, die sie nicht mehr hatten.
    Dragon hatte seine Schwäche bald überwunden. Er hatte zu trinken verlangt, um, wie er sagte, den Körper mit dringend notwendiger Flüssigkeit zu versorgen. Essen wollte er nichts, sein Magen sei noch nicht in der Verfassung dazu. Es sei überhaupt ein Wunder, daß er noch lebe, denn die Überlebenszellen waren nicht für so einen langen Zeitraum gebaut worden. Er fragte nach seinen Kleidern, doch mehr als einen breiten schwarzen Gürtel mit einer kreisrunden Schließe hatten Damos und seine Männer nicht gefunden, als sie den Schrein entdeckten. Sie gaben ihm ein Hemd und Beinkleider und hochschäftiges Schuhwerk und ließen ihn eine Weile im Tempel allein mit einem Häufchen alter Schriften und Gerätschaften, die sie im unmittelbaren Bereich des Schreins aufgesammelt hatten.
    Er studierte alles, aber die Schriften waren zu fragmentarisch, um irgendwelchen Erinnerungen auf die Sprünge zu helfen. Jahrhundertelange Feuchtigkeit hatte vieles zerstört. Die Geräte, Luftmesser, Temperaturmesser, Strahlungsmesser konnten seit langer Zeit keine Daten mehr an die Zelle übermittelt haben.
    Seufzend schloß er die Überlebenszelle und entfernte die Kontrolleinheit. Die Bereitschaftsanzeige flackerte kurz, begleitet von einem leisen Zischen der Vakuumpumpe, und erlosch.
    Hier waren keine Erinnerungen zu finden. Er mußte diesen Damos bitten, ihn zu der Stelle zu bringen, wo sie die Zelle gefunden hatten. Dort mochte er vielleicht etwas entdecken, mit dem er die Leere in seinem Verstand füllen konnte.
    Es war wie ein Abgrund. Er verstand, daß er hier war, weil er in dieser Zelle überlebt hatte. Was überlebt? Die Vorstellung von zweitausend Jahren ließ ihn schaudern. Er wußte, daß es ein Wunder war, wenn diese Zelle so lange funktionsfähig blieb. Nein, sie mußten sich irren. Zweitausend Jahre war unmöglich. Hier war er unter einfachen Leuten. Er mußte herausfinden, wo er sich befand, und einen Weg zurück in die Zivilisation finden.
    In welche Zivilisation?
    Er stand wieder vor diesem Abgrund, tastete sich ein wenig hinab in die Tiefe. Da waren Bilder halbvergessener Träume von Feuer und Chaos, vor denen er stöhnend zurückschauderte. Da war ein Anker in der Wirklichkeit, der ihn davor bewahrte, in die dunkle Leere zu stürzen.
    Dankbar klammerte er sich daran fest. Es war das goldene Amulett an seiner Brust, das seine Hand umschloß. Es befreite seinen Verstand von den dunklen Fesseln. Es nahm nicht das Gefühl der Verlorenheit von ihm, aber er konnte wieder klar denken.
    Er mochte keine Vergangenheit mehr haben, aber es gab eine Gegenwart für ihn.
    Als er sein Amulett losließ und aufblickte, sah er das Mädchen, dessen liebliches Gesicht er beim Erwachen gesehen hatte, im Tempeleingang stehen. Rasch ging er ihr entgegen.
    »Verzeih, wenn ich dich in deiner Suche nach Erinnerungen stören muß«, begann sie und bemühte sich, ihre Gefühle unter Kontrolle zu bringen.
    Er musterte ihre junge Gestalt in Beinkleidern und Reitschuhen und einem weißen, ärmellosen, schenkellangen Hemd, das sie mit einem schmalen silbernen Reif um die Mitte gerafft hatte. Sie trug zwei goldene Ringe an der linken Hand. Ihr hübscher Mund, der Schwung ihrer Brauen weckten eine vage Erinnerung an ein anderes Mädchen, irgendwo in seinen entschwindenden Träumen, zu flüchtig, um sie festzuhalten.
    »Ich habe tausend Fragen, Prinzessin Amee!«
    »Ich fürchte, sie werden alle warten müssen, Dragon«, erwiderte Amee traurig. »Wir haben nicht mehr genug Zeit. Bis zum Morgen müssen alle Vorbereitungen getroffen sein. Wenn Parthos Plan gelingt, werden wir uns rasch in die Berge zurückziehen müssen. Partho sähe dich gern an seiner Seite, wenn der Kampf beginnt. Aber Vater Damos will, daß du …«
    Er blickte sie stirnrunzelnd an und unterbrach sie: »Partho? Ist das der junge Krieger, der im Tempel war, als ich aufwachte?«
    »Ja, Dragon. Begleite mich jetzt …«
    »Was ist das für ein Plan, den er hat? Was ist das für ein Kampf, bei dem er mich gern an seiner Seite hätte? Seid ihr in Gefahr?«
    Sie zögerte, aber die Besorgnis in Dragons Stimme ließ sie ihre Scheu vergessen. »Ja, Dragon, in großer Gefahr. Deshalb war Vater Damos schließlich bereit, dich zu wecken …«
    All die so tapfer beherrschten Empfindungen der letzten Tage und Stunden, die Furcht, die Ohnmacht, die Hoffnungen und Enttäuschungen, lösten nun ihre Zunge, und sie berichtete von den schrecklichen

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