Dragon 01: Der Schrein des schlafenden Gottes
Partho dahin. Der Hauptmann hatte den Helm auf dem Rücken, er schlug bei jeder Bewegung des Pferdes gegen die Schulterblätter. Es war unerträglich heiß.
Partho deutete auf einen kantigen Felsen, der eine gewaltige Hitze ausströmte, bereits jetzt, Stunden vor Mittag.
»Du kennst diesen Weg, Nabib?« fragte er knapp.
»Ich bin mehrmals mit meiner Karawane hier durchgekommen. Diese Ebene ist ist fluchbeladen.« Er grinste. »Mit meinen Flüchen zumindest. Wenn wir schnell reiten, straucheln die Tiere leicht auf dem scharfen Geröll und reißen sich die Haut auf. Der giftige Staub setzt sich in die Wunden und tötet die Tiere langsam und qualvoll.«
Partho nickte zustimmend.
»Andererseits«, fuhr der Händler fort, »ist die Schwierigkeit groß, wenn wir langsam reiten. Wir schwitzen alles aus, was wir getrunken haben, nicht anders ergeht es den Pferden. Am besten ist es, nicht hier durchzureiten!«
»Sondern darüberzufliegen!« meinte Partho. »Wir legen etwas Tempo zu!«
Er hob die Hand, winkte nach hinten. Gleichzeitig spornte er seinen Hengst. Sie alle wirkten wie Gespenster. Seit Eintritt in dieses Tal wirbelte jeder Huftritt eine Wolke feinsten Staubes auf. Der Staub blieb lange in der Luft, weil sich hier zwischen den kantigen Trümmern kein Wind bilden und den Staub forttreiben konnte. Der zermahlene Stein schmeckte bitter wie Galle und ätzte in den Augen, in den Nasen, auf den Lippen und im Gaumen. Die Reiter banden sich mit Wasser benetzte Tücher unter die Augen, aber das half nicht lange, denn die Feuchtigkeit trocknete mit rasender Eile.
Unter den Hufen des staubbedeckten Schimmels stob eine Staubfahne hoch. Partho sah nach den Schatten. Jetzt gab es noch da und dort Schatten. Mittags würde die Sonne senkrecht herunterbrennen.
Weit voraus erspähte er den Abbruch der Hochebene. Dort führte, vage erkennbar, eine schräge Straße hinauf, an schwindelnden Abgründen vorbei.
Nabib drehte sich um und sah hinter sich, durch Staubschleier halb verdeckt, die junge Sklavin. Sie wirkte wie ein Dämon. Ihr langes Haar flatterte nach hinten; es war gelb gepudert. Aus einem gelbgrauen Gesicht, durch den Stoffetzen verunstaltet, blickten riesige Augen, Tränenspuren zeichneten feine Linien aus Augenwinkeln und hinunter über die Wangen. Pferd und Reiterin waren über und über mit Staub bedeckt; das Tier keuchte und schäumte. Agrion hob kurz die Hand und winkte Nabib zu, dann spornte sie auch ihr Pferd. Partho hatte sich also entschlossen, schneller zu reiten, um die Qualen abzukürzen.
Dahinter ritt Dragon.
Er saß gerade im Sattel, hatte sein Gewicht richtig verlagert und schien am wenigsten betroffen zu sein. Auch er glich sich selbst nicht mehr. Sein Mund stand offen, seine Augen tränten nicht, nur aus seinem Haar staubte es bei jedem Sprung. Auch Agrion und hinter ihr Ada litten unter dem Ritt. Ihr Durst wurde unerträglich. Sie gierten nach Wasser und Kühle. Die Packpferde fanden nicht einmal Kraft, zu wiehern oder den Zügel zu verweigern. Sie stolperten instinktiv vorwärts.
Iwa ritt vor den beiden Soldaten.
Hinter sich führte sie zwei Packpferde. Sie ritt weiter, halb blind und krank von der Sonne. Purer Überlebenswille trieb sie vorwärts. Sie wußte, daß diese Strecke bald vorüber sein würde. Sie ruckte scharf an dem Seil, die Packpferde kamen schneller. Dann holte sie aus einer kleinen Satteltasche ein Tuch hervor.
»Wartet!« sagte sie. »Ich kann helfen. Nicht viel, aber es wird euch den Weg leichter machen.«
Sie zog eine Wasserflasche heraus, hergestellt aus einem Ledersack mit einem hölzernen Mundstück, in dem der gequollene Korken steckte. Mit den Zähnen zog sie ihn heraus, näßte das Tuch, während sie weiterritt, verschloß die Flasche wieder und hängte sie ans Sattelhorn. Dann träufelte sie aus einem winzigen Tonfläschchen einige Tropfen einer stark riechenden Flüssigkeit auf das Tuch, wischte sich die Augen damit aus, zog das Tuch vom Mund und wischte über die untere Hälfte des Gesichts.
Ein stechender Geruch drang in ihre Nase. Der Schmerz verging mit überraschender Plötzlichkeit.
»Schon besser!« murmelte sie, lachte auf und beugte sich nach vorn.
Sie putzte zuerst ihrem eigenen Pferd die Augen und Nüstern aus, dann zog sie – noch immer in langsamem, polterndem Galopp – die anderen Tiere näher und tat das gleiche bei ihnen. Schließlich warf sie den Lappen Afkral zu.
Weiter und weiter.
Mitten durch den Staub, durch fleckige Schatten, vorbei
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