Dragon 01: Der Schrein des schlafenden Gottes
schöne Musik. Es bedeutete zweierlei:
»Wir haben mehr geschafft, als ich dachte«, sagte Nabib. »Noch zwei Tage bis zum Ah’rath, Partho.«
Agrion stand bereits mit zwei Pferden unter dem Wasserfall. Das Mädchen und die Tiere waren total durchnäßt und troffen, aber ihnen machte es sichtlich Freude. Partho sah scharf hinüber. Der Körper, den er gestern nacht in den Armen gehalten hatte, war makellos.
Er nickte. »Daß ich mich um die Karawane kümmere«, brummte er, als er den anderen bei der Arbeit half und sein Pferd absattelte, »ist mein Auftrag. Aber daß ich auch noch Amee dazu bringe, ihren Langschläfer zu verführen – das ist irrsinnig.«
Er trat wütend nach einem Ast. Der Ast federte zurück und traf ihn schmerzhaft am Schienbein. Das Echo des Ruches hallte über das Geräusch des Wasserfalles hinweg, und Iwa stieß ein wieherndes Lachen aus.
Zwei Stunden später. Ein Feuer brannte. Alle Pferde waren getränkt, gescheuert und gebürstet.
Sättel, Zaumzeug und Waffen waren gesäubert worden. An Ästen und Zeltstangen hingen nasse Kleidungsstücke. Es war eine warme Nacht; die Felsen strahlten die Wärme ab, die sie tagsüber eingefangen hatten. Zwei Weinschläuche waren geöffnet. Partho ging zu Iwa hinüber.
»Du bist doch die Frau, die Liebestränke braut?«
Iwa schlug ihn gegen die Schulter.
»Du brauchst einen? Oder will Nabib mich verführen?«
Partho sagte trocken: »Ich habe noch niemals einen gebraucht. Und Nabib wird trotz deines Tranks deiner Schönheit und deinem Geist kaum erliegen wollen. Gib diesem Träumer Dragon einen kräftigen Schuß in den Wein!«
Sie lachte begreifend, aber dann schüttelte sie zu Parthos Verwunderung den Kopf.
»Nein?« fragte er ungläubig.
»Nein. Ich weiß, welches Problem Amee hat. Es ist nicht das Problem eines schüchternen Jünglings, Freund Partho. Es ist ein Mann, dessen Verstand nicht weiß, wie es um ihn steht. Und solange der Verstand es nicht schafft, eine Romanze auch in die Tat umzusetzen, können alle Liebestränke nicht helfen.«
Dann fragte sie noch: »Du beugst den Kopf?«
»Vor deiner Klugheit, Frau Amme!« bestätigte er und ging zum Feuer zurück. Das Wasser für den Tee kochte.
Es war auch eine Szene, wie sie ein Dichter nicht schöner hätte besingen können: Amee und Dragon lagen ein Stück außerhalb des Lagers auf einem weiten, weichen Moospolster. Das Rauschen eines Wasserfalles war beruhigend und anregend zugleich. Die Sterne über ihnen waren wie Feuer einer anderen Welt. Sie funkelten so verheißungsvoll, als wären sie mehr als Lichter am Nachthimmel, die dem Reisenden den Weg wiesen. Sie weckten in Dragon eine Sehnsucht, die ihn verwirrte.
Er stützte sich auf den Ellenbogen und starrte hinauf, bis seine Augen brannten und sein Nacken schmerzte.
Schließlich ließ er sich seufzend zurücksinken und betrachtete das Gesicht des Mädchens. Amee lächelte. Er konnte die Farbe ihrer Augen im Mondlicht nicht erkennen. Dragon sagte:
»Immer, wenn du in meiner Nähe bist, immer, wenn ich an dich denke, habe ich ein Gefühl, das ich nicht beschreiben kann …«
Sie nickte und flüsterte: »Wir haben beide geschlafen und geträumt. Jetzt sind wir erwacht …«
Ihre Hände streichelten seinen Rücken und berührten seinen Nacken. »Mein Traum«, murmelte sie sanft, »bist immer nur du gewesen.«
Ihre Finger glitten über die Kette und hoben langsam das Amulett über seinen Kopf. Vorsichtig legte Amee die Sonnenscheibe auf das Moos.
Seine Finger gingen Wege, die er nicht kannte und jetzt kennenlernte.
»Aber …«, flüsterte er unsicher, »ich taste mich durch Nebel. Ich weiß so wenig.«
»Küß mich!« wisperte die Prinzessin.
In dieser Nacht verführte Amee Dragon. Iwa merkte es beim ersten Sonnenstrahl, als sie einen Blick in Amees triumphierendes Gesicht warf.
Zwei Stunden vor Morgengrauen, noch in derselben Nacht, in der ihn die Schlange aus dem Zelt geschleift hatte, kam Zainu zurück. Er war vollständig angekleidet, und sein dunkles Gesicht trug einen grimmigen Ausdruck. Er näherte sich von Norden den Zelten, sah sich um und fand im ersten Grau der Dämmerung das Zeichen des Mondes auf der Stange des Häuptlingszeltes. Er ging darauf zu und riß den Vorhang zur Seite.
Einige Augenblicke blieb er regungslos stehen und sah die junge Frau in seinem Bett an. Sie lag still da, auf der Seite, mit angezogenen Knien. Das Gesicht war gelöst und friedlich.
Zainu betrat das Zelt und sah die
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