Dragon 01: Der Schrein des schlafenden Gottes
schlafen?« fragte er knapp.
»Nein. Ich muß immer an die Vampire denken«, flüsterte sie. »Könnten sie uns allen das Blut aussaugen wie dem Hexer?«
Er nickte und spürte auf einmal, wie erregend ihre Nähe war. »Aber sie würden nicht viel Freude daran haben.« Er tätschelte sein Schwert.
»Haben sie denn auch genügend Verstand, dein Schwert zu fürchten?«
»Ich glaube nicht, daß sie Verstand haben. Aber vielleicht Instinkt.«
Sie lehnte sich an seine Schulter und fuhr mit dem Zeigefinger über seinen Unterarm.
»Hast du Amee erwartet?« fragte sie leise. »Liebst du sie noch immer?«
Er atmete den Duft ein, den ihre Haut verströmte. Achtzehn Jahre war sie erst alt, aber sie dachte und handelte längst wie eine Frau. Partho vermied es, sie anzusehen.
»Es ist nicht mehr wie früher«, sagte er dann mit ein wenig unsteter Stimme. »Ich weiß jetzt, daß ich sie verloren habe. Es ist nicht oft, daß Träume wahr werden. Ich fange an, ihr diesen Traum zu gönnen …«
»Für jeden verlorenen Traum gibt es einen neuen, liebster Partho«, sagte sie nahe an seinem Ohr. »Warum träumst du nicht einen neuen … einen, der sich erfüllen läßt?« Sie schob ihre gespreizten Finger in sein Haar.
Ihre Stimme war ein kleines bißchen traurig, aber lockend.
»Ja«, erwiderte er und streichelte ihre Schulter, »ein neuer Traum … ist der beste Weg durch eine dunkle Nacht …«
Sie schob ihr Gesicht nahe an seines und zwang ihn, sie anzublicken.
»Du bist ein seltsamer Mann, Partho. So verschlossen. Feuer hab’ ich in deinen Augen immer nur gesehen, wenn du ein Schwert in der Hand hattest.«
Er strich über ihren Rücken. Ihr Körper bog sich und gehorchte der Bewegung.
Sie fuhr fort: »Du bist klug, aber du bist auch blind. Kann ich noch mehr tun, um dir zu zeigen, daß ich deinen Traum erfüllen würde?«
Er sagte rauh: »Nein.«
Er küßte sie. Agrion war überrascht von seiner Zärtlichkeit und, später, von seinem Hunger nach Zärtlichkeiten. Sie gab sich völlig dem Gefühl hin, das sie so lange entbehrt hatte. Jedoch wußte sie, daß sie auch nichts anderes war als eine vorübergehende Begegnung. Diese erste Nacht trug bereits den Keim eines Endes in sich, das weit vor ihnen liegen mochte, aber unabänderlich kommen würde. Doch dann erlag sie dem Zauber der Stunde und schlief neben ihm ein, eng an ihn gepreßt. Seine Arme lagen fest, aber zart um ihren Körper.
Partho erwachte. Er hatte einen Laut vernommen, der nicht zur Umgebung paßte. Ein leises Pfeifen oder ein langgezogenes Wimmern. Er blinzelte, rührte sich nicht und starrte zwischen den Ästen hoch. Der Mond war verschwunden. Es war nach Mitternacht. Dann sah er die huschenden, zuckenden Schatten vor den Sternen.
Die Vampire kommen! dachte er.
Ein Blick hinüber zu den Zelten. Die Eingänge waren verschlossen. Mondlicht fiel auf die dreieckigen Zeltwände. Nichts bewegte sich. Er hatte gehört, daß ein schlafender Mensch weder vom Wind der Flügel noch von der kaum spürbaren Berührung mit den pelzigen Pfoten, noch vom blitzschnellen Biß der nadelscharfen Zähne wach wurde. Der Speichel der Vampire, hieß es, enthielt etwas, das Blut nicht gerinnen ließ.
Krallen kratzten auf Holz.
Die Vampire glitten in Scharen mit fast lautlosem Flügelschlag in das Baumhaus zu dem Mann, der im Sterben lag und vielleicht schon tot war.
Partho griff nach dem langen Schwert und legte es quer über seinen Körper und den des Mädchens. Das kalte, glänzende Eisen berührte Agrions Brust. Sie rührte sich im Schlaf und murmelte etwas. Partho verschloß ihr mit der Hand die Lippen. Sie wachte auf und sah ihn mit weiten Augen an. Er legte den Zeigefinger an seine Lippen, dann gab er sie frei.
»Vampire«, wisperte er nahe an ihrem Ohr.
Sie blieben liegen und wagten nicht, sich zu rühren. Lange Zeit blieb es völlig still. Nur hin und wieder durchdrang ein Zischen, ein Scharren der Flügel gegen Holz und ein Kratzen nadelfeiner Krallen aus dem dunklen Baumhaus herab. Und dann, ganz plötzlich, ertönte ein langgezogener Schrei, der mit einem Schlag die Schläfer weckte. Die Pferde bäumten sich auf, rissen an den Leinen. Agrion erstarrte vor Entsetzen.
Ein dunkler Schatten stürzte mit zuckenden Flügeln aus der Nacht und fiel klatschend ins Wasser des Teiches.
Ein zweiter Schrei.
Ein dritter.
Wieder fiel eines der Nachtwesen durch raschelnde Zweige und Blätter herab in das stille Wasser. Dann brach ein Inferno los. Gellende Schreie,
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