Dragon Dream (epub)
und Morfyd strahlte, während Talaith sie angespannt und finster ansah. Morfyd trug diesen Gesichtsausdruck immer, wenn sie absolut göttlichen Klatsch und Tratsch erfuhr.
»Was?«
Morfyd versuchte offensichtlich, nicht zu lachen und schüttelte den Kopf. »Nichts.«
»Du lügst, du Kuh! Was ist los?«
»Nichts.« Sie hustete und ließ Talaiths Hand los. »Nur, dass du ein paar mächtige Feinde hast.«
»Erzähl mir etwas, was ich noch nicht weiß, Hexe.«
»Mächtige Feinde, die Götter sind.«
Einen Moment lang war Annwyl schockiert … dann zuckte sie die Achseln. »Jetzt, wo ich darüber nachdenke. ich wüsste nicht, warum mich das überraschen sollte.«
Talaith saß teilnahmslos auf Annwyls Bett, während Morfyd alles erzählte, was sie gesehen hatte. Sie sprach von Talaiths erster Liebe und wie sie den jungen Soldaten verloren hatte, noch bevor ihr Kind geboren war. Sie erzählte, wie ihre Mutter und die anderen Nolwenn-Hexen sie in blinder Wut über ihre Beziehung mit dem Soldaten und ihr ungeborenes Kind aus dem Tempel geworfen hatten, um ihr eine Lektion zu erteilen. Talaith wusste, dass sie sie zurückgeholt hätten, sobald das Baby geboren war. Was keine von ihnen sah, war Arzhela. Ihre Priesterinnen kamen in der Nacht, in der Talaiths Tochter geboren wurde. Sie rissen ihr das Kind aus den Armen und zerrten die blutende und fluchende Talaith zu ihrem Tempel. Weil Arzhela, die Göttin des Lichts, der Liebe und der Fruchtbarkeit, ihre Schutzheilige war, waren die meisten Priesterinnen Hebammen. Sie wuschen das Blut ab, heilten sie und sagten ihr dann ziemlich deutlich, dass sie ihre Tochter nie wiedersehen würde, wenn sie nicht tat, was sie ihr sagten.
Drei Monate später brachten sie sie in das kleine Dorf außerhalb von Madron, wo sie sie einem Mann übergaben und ihr sagten, dass dieser nun ihr Ehemann sei. Sie würde sich um sein Haus kümmern, seine Kleidung waschen, ihn gut ernähren, und im Gegenzug würde er nicht danach fragen, wo sie jeden Tag hinging. Denn täglich war sie im örtlichen Tempel, der Arzhela geweiht war. Dort versammelte die Hohepriesterin nur die allerbesten Assassinen der ganzen Gegend. Sechzehn Jahre hatten sie sie ausgebildet, bis zu dem Moment, wo sie einer Monarchin gegenübertreten musste, die so teuflisch, so bösartig, so verachtenswert in jedem Sinn des Wortes war, dass sie der Göttin dankbar sein würde, diejenige sein zu dürfen, die sie vernichtete.
Talaith blickte hinüber zu dieser »teuflischen, bösartigen, verachtenswerten« Monarchin, die sich im Moment die Nase mit einem Tuch putzte, das sie vom Boden aufgehoben hatte. Anscheinend hatten die ständigen Wetterwechsel die böse Dämonin zum Niesen gebracht.
»Also, was willst du tun?«
Die beiden Frauen sahen sie an und Annwyl zuckte die Achseln. »Tja, ich kann sie jetzt nicht umbringen. So gemein bin ich auch nicht.«
Morfyd hob eine Augenbraue. »Das hängt davon ab, wen du fragst.«
»Ich hasse dich.«
Die zwei Frauen lächelten sich an, und Talaith hasste sie einen Augenblick lang dafür, dass sie so eine enge Freundschaft hatten. Dass sie einander als Freundinnen hatten.
Annwyl sah Talaith eine Weile an, dann fragte sie: »Du wolltest, dass ich dich umbringe. Warum?«
Talaith senkte den Kopf unter Annwyls direktem, unverwandtem Blick. Sie hörte Annwyls starke Stimme: »Sie antwortet mir nicht.«
»Sie glaubt, sie kann nicht. Wegen Arzhela.«
Sie glaubt, sie kann nicht? , wiederholte Talaith in ihrem Kopf. Was wusste diese Hexe schon?
»Sie kommt hier nicht an dich heran, weißt du?« Morfyd kam herüber und setzte sich neben Talaith aufs Bett. »Sie kommt niemals an mir vorbei. An meiner Verteidigung.«
Talaith schnaubte ungläubig.
»Es stimmt. Streck dich nach ihr aus. Versuch, sie zu spüren.«
Das tat Talaith, und die Hexe sprach die Wahrheit. Sie konnte Arzhela im Umkreis von einer Wegstunde nicht fühlen. Es war, als befänden sie sich in einer Schutzblase. Sie hatte sich nicht mehr so gefühlt, seit sie den Schutz des Drachen verlassen hatte.
»Arzhela hat sie schon einmal verletzt«, erklärte Morfyd Annwyl. »Als sie versucht hat, es zu erzählen. Aber jetzt … jetzt fürchtet Talaith nur um ihre Tochter. Deshalb wollte sie, dass du sie tötest. Wenn sie im Kampf oder beim Versuch, dich zu töten, stirbt, wäre ihre Tochter in Sicherheit. Aber wenn sie sich selbst umbringt oder jemanden darum bittet, würde Arzhela das Mädchen dafür bezahlen lassen.«
Annwyl
Weitere Kostenlose Bücher