Dragon Sin: Roman (German Edition)
»Das will ich dir auch geraten haben«, warnte er sie. Dann schwang er seinen Hammer und bahnte sich den Weg durch die Soldaten, die ihn umgaben.
32 Es war die plötzliche Stille, die ihm Sorgen machte. Seit Tagen war es nicht mehr ruhig gewesen. Andauernd waren Felsblöcke gegen die Wände ihrer Höhlenfestung geprallt.
Aber jetzt?
Jetzt war gar nichts mehr zu hören, und Meinhard dem Wilden gefiel das überhaupt nicht.
Als Meinhard endlich den Höhleneingang erreicht hatte, der den Polycarp-Bergen gegenüberlag, war Ragnar bereits dort und starrte hinaus.
»Alle sollen sich bereit machen«, befahl sein Vetter.
»Schon geschehen.«
»Die Feuerspucker?«
»Bereit.«
Meinhard wartete auf den nächsten Befehl seines Vetters, aber Ragnar regte sich nicht mehr.
»Was ist los?«
»Ich weiß nicht. Irgendetwas stimmt nicht. Es ist zu still. Es ist zu …«
Da erbebte das ganze Tal und schnitt Ragnars Worte ab.
»Ragnar?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht. Ich …« Ragnar stützte sich mit der Klaue an der Wand ab; die erste Explosion brachte alles um sie herum zum Erzittern. Dann erfolgte die zweite Explosion und dann die dritte. Die beiden sahen zu, wie die Polycarp-Berge in sich zusammensackten, einer nach dem anderen, bis nichts mehr da war außer Staub, Geröll und ebenem Boden. Jetzt trennte sie nichts mehr von den Eisendrachen. Es würde eine offene Feldschlacht werden – Eisendrachen gegen Nordländer und Feuerspucker.
»Hol all unsere Truppen her. Sofort!«
Meinhard nickte und wandte sich um. Aber einer der Feuerspucker kam auf ihn zugerannt.
»Meinhard! Sie kommen von hinten! Truppen aus den Hoheitsgebieten.«
»Sie umzingeln uns«, murmelte Ragnar. »Irgendwelche Anzeichen von Annwyls Armee?«
»Die Späher sind gerade zurückgekommen. Die Armee rückt über den Östlichen Pass an und ist schnell auf dem Vormarsch, aber sie weiß noch nichts von den neuesten Entwicklungen.«
»Die Truppen werden es bald herausfinden.« Er sah Meinhard an. »Wir überlassen die Menschen Annwyls Armee. Ich will, dass alle diese verdammten Tunnel verlassen. Sofort.«
Meinhard nickte. »Wird erledigt. Und was ist mit Annwyls Truppen?«
»Wir hoffen, dass sie rechtzeitig hier eintreffen. Geh jetzt, Vetter«, befahl Ragnar, als sie beide den Lärm der heranrückenden Eisendrachen hörten. »Uns läuft die Zeit davon.«
Brastias ritt mit seinen Truppen über den Östlichen Pass, wie Morfyd vorgeschlagen hatte. Sie waren auf diesem Weg gut vorangekommen, aber die Männer waren unruhig. Nicht nur weil sie den Kampf hinter sich bringen wollten, sondern weil sie Annwyl nirgendwo gesehen hatte. Die Angst und das Gerede, die Königin habe ihre Truppen im Stich gelassen, verbreiteten sich durch die Ränge. Allein die Tatsache, dass jemand glauben konnte, die Königin hätte sie aus Angst, Langeweile oder einer königlichen Laune heraus verlassen, machte Brastias wütend – so wütend, dass er jeden, der diese Gerüchte verbreitete, wegen Unbotmäßigkeit auspeitschen ließ.
Es stimmte, dass Annwyl sie verlassen hatte, aber sie war nicht davongelaufen. Nicht seine Annwyl. Sie hatte etwas noch Dümmeres getan. Sie war geradewegs in die Höhle des Feindes marschiert. Doch er hatte keine Ahnung, was sie dort tat.
Brastias’ Pferd, das genauso viele Schlachten mitgemacht hatte wie sein Reiter, bäumte sich plötzlich auf, und nur durch seine Geschicklichkeit konnte sich Brastias im Sattel halten. Dann bockten plötzlich alle Pferde und stießen miteinander zusammen, als der Boden unter ihnen zitterte und bebte.
»Ein Erdbeben?«, fragte Danelin, Brastias’ Stellvertreter.
»Nein, das glaube ich nicht. Das ist etwas anderes.« Das Rumpeln ging weiter, und das Land unter ihnen bewegte sich wellenförmig. Dann endlich hörte es auf. »Es hat begonnen«, sagte er.
»Bist du sicher?«
»Ja.«
Brastias wandte sich an zwei seiner Boten. Immer wenn sie sich auf dem Marsch befanden, waren es diese berittenen Soldaten, die die Befehle verbreiteten, wenn die Zeit knapp war.
»Wir schneiden den Weg da vorn ab und zerteilen die feindliche Truppen in der Mitte. Geht jetzt!«
»Bist du sicher, dass sich die Soldaten aus den Hoheitsgebieten bereits auf dem Westlichen Pass befinden?«
»Wenn sie nicht schon dort wären, würden die Eisendrachen sich nicht regen. Sie sind da, und wir werden sie alle töten.«
»Und Annwyl?«
»Ich habe noch nie an ihr gezweifelt, Danelin«, sagte er und trieb sein Pferd zum Galopp
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