Dragon Touch
gut, doch Dagmar wollte ihr jetzt
ganz besondere Fragen stellen und hätte kein gutes Gefühl dabei gehabt, das in
einem Brief zu tun, den möglicherweise auch andere lesen konnten.
»Du hattest recht, Mylady.« Saamik rührte Milch in ihren
Tee. »Lord Jökull erweitert seine Truppen. Er hat mit mindestens drei anderen
Warlords im Westen Waffenstillstände geschlossen.«
»Waffenstillstand? Kein Bündnis?«
»Nein. Er bekommt keine Soldaten von ihnen, aber er wird
auch nicht gegen sie kämpfen.«
»Woher bekommt er seine Soldaten?«
»Er heuert sie an. Massenweise, wenn ich richtig informiert
bin.«
Dieses eine Mal machte es Dagmar keine Freude, recht zu
haben. »Verstehe.«
»Lord Tryggvi …« Die junge Saamik warf einen Blick zu
Gwenvael hinüber – zum wiederholten Mal – und erklärte: »Lord Tryggvi ist der
Anführer dieses Gebiets.« Sie atmete hörbar aus und konzentrierte sich wieder
auf Dagmar. »Seine Schwester sagt, dass er nicht allzu glücklich über all das
ist.«
»Wäre er für ein Bündnis mit Dem Reinholdt offen?«
»Vielleicht. Das ist bei ihm schwer zu sagen. Er ist kein
freundlicher Mann, soweit ich weiß.«
»Wer von ihnen ist das schon?« Dagmar wollte nach einem
Keks greifen, doch ihre Hand fand nur eine leere Stelle auf dem kleinen Tisch.
Sie sah den Drachen verwundert an. »Musstest du den ganzen Teller nehmen?«
»Ich wollte sie halt haben.«
»Bist du ein Kind?«
Saamik stand auf. »Ich habe noch mehr, Mylady.« Das warme
Lächeln ärgerte Dagmar nur, deshalb hatte sie das Gefühl, sich durchaus gleich
mehrere Kekse verdient zu haben, als Saamik ihr die Dose hinhielt.
»Da ist noch etwas …« Saamik setzte sich wieder. »Aber es
ist nur ein Gerücht. Ich weiß nicht, ob überhaupt etwas daran wahr ist.«
»In jedem Gerücht steckt normalerweise ein Stückchen
Wahrheit, Saamik. Du kannst es mir ebenso gut erzählen.«
Saamik beugte sich mit unbehaglichem Gesichtsausdruck vor.
»Sie sagen … na ja … Sie sagen, dass er ein Bündnis mit Drachen geschlossen
hat.«
Dagmar schnaubte. Nicht, weil sie Saamik nicht glaubte,
sondern weil ihr eigener Drache so verblüfft war, dass ihm der Keks, den er
gerade aß, mit Schwung aus den Fingern glitt und gegen seine Stirn schwirrte.
»Ich weiß, ich weiß«, sprach Saamik weiter. »Es klingt
lächerlich. Ich meine, sie sind Tiere, nicht wahr?«
»Ja«, stimmte Dagmar bereitwillig zu. »Ja, das sind sie.«
»Wie kommuniziert man überhaupt mit ihnen? Sie können
weder lesen noch schreiben. Und ich habe gehört, dass sie unsere Worte nur so
verstehen wie Hunde das tun.«
»Alles sehr richtig. Ich bin mir sicher, dass ich einen
von ihnen ohne Probleme dazu abrichten könnte, zu tun, was ich will. Auch wenn
sie nicht annähernd so schlau sind wie mein Knut. Ihre Gehirne sind ziemlich
langsam. Also ist es sehr gut möglich, dass jemand wie mein Onkel Jökull sie
seinem Willen unterwerfen kann.«
»Tragischerweise glaube ich, dass du recht hast, Mylady.«
Ein leises Klingelgeräusch aus dem Geschäft ließ Saamik
aufspringen. »Ich bin gleich zurück. Lass mich kurz nachsehen, wer das ist.«
»Natürlich.« Dagmar trommelte mit dem Finger auf den
Tisch. Das Ganze war noch viel schlimmer als sie gedacht hatte. Viel schlimmer.
Saamik hatte Dagmar einen guten Ausgangspunkt verschafft, doch jetzt konnte ihr
nur Bruder Ragnars Wissen weiterhelfen.
»›Langsame Gehirne‹?«
»Na ja«, antwortete sie abwesend, »wir wissen beide, dass
das stimmt, oder?«
Er war so schnell aufgesprungen, dass Dagmar nur
überrascht quieken und protestieren konnte, bevor er sie von ihrem Stuhl riss.
»Wie Hunde abrichten, was?«
Sie schlug nach seinen Händen, was eher Zeitverschwendung
war, doch als seine Finger sie seitlich unter den Armen griffen, stieß Dagmar
ein ersticktes Kichern aus und begann sich zu wehren. Und zwar erbittert.
»Warte. Haben wir da einen schwachen Punkt entdeckt?«,
neckte er sie, während seine Hände scheinbar überall waren.
»Nein, haben wir nicht!«
»Doch, ich glaube, das haben wir.« Seine Finger bewegten
sich an ihren Seiten auf und ab, was Dagmar quieken ließ wie ein Kind. Auch
wenn sie selbst als Kind nicht der Typ gewesen war, der quiekte. Oder lachte.
Oder kicherte. Ein Schmunzeln hier und da, doch das war das Äußerste, das sie
an einem guten Tag herausgebracht hatte.
Es half nicht gerade, dass Gwenvael sich ziemlich gut zu
amüsieren schien und sie herumschwang wie ein winziges Kätzchen, während
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