Dragon Touch
Weg in die Nordländer. Und vor
allem keine Frau allein.
»Ich bin Eir«, sagte die Frau, während sie ihre Stiefel
auszog und extrem große Füße enthüllte, die aus mehreren wunden Stellen
bluteten. Sie wackelte mit den Zehen und stöhnte vor Schmerz.
»Ich bin Dagmar. Keine Socken?«
»Sie waren so durchgescheuert, das hatte keinen Sinn
mehr.«
Dagmar öffnete ihren Tornister. »Hier. Du kannst die hier
haben.«
Eir nahm die Wollsocken aus ihrer Hand. »Sicher?«
»Ja. Ein … Mein Freund hat mir ein neues Paar geschenkt.
Also kannst du das übrige Paar haben. Du solltest sie aber vorher waschen.«
Die Kriegerin zuckte die Achseln und zog sie an, während
Dagmar über die mangelnde Hygiene das Gesicht verzog.
»Ich kann sie später waschen«, entschied sie, und Dagmar
beschloss, das nicht infrage zu stellen.
Gwenvael schrie wieder, und Dagmar knirschte mit den
Zähnen. Der Wolf, der sich zu ihren Füßen niedergelegt hatte, drückte seinen
extrem großen Kopf an ihre Beine. Sie wusste den Trost zu schätzen.
»Is’ das dein Freund?«
»Ja.«
»Klingt, als hätte er es nicht leicht.«
»Nein.«
»Ich würde mir keine Sorgen machen. Ich habe gehört, die
Hexe ist eine gute Heilerin.« Sie zog ihre alten Stiefel über ihre neuen Socken
und seufzte. »Viel besser. Danke.«
»Gern geschehen.« Dagmar, die verzweifelt versuchte, sich
auf etwas anderes zu konzentrieren als auf Gwenvaels Schmerz und ihre Panik,
fragte: »Warum bist du hier?«
»Ich tu’, was ich immer tue. Nach einer guten Schlacht
suchen, in die ich mich schmeißen kann. Ein ordentlicher Kampf. Gibt nichts
Besseres als in einen Krieg zu stolpern, der einen ’ne Weile beschäftigt.«
Eine Söldnerin. Eine der unbeständigsten Beschäftigungen,
von denen Dagmar je gehört hatte. »Tust du das gern?«
»Ich bin gern unterwegs. Bleib nie gern zu lange an einem
Ort. Eine wirklich gute Schlacht beschäftigt mich eine Weile, und dann ziehe
ich weiter.« Sie stupste Dagmar mit einer Hand, an der der kleine Finger
fehlte, an der Schulter an. »Weißt du etwas?«
»Ich würde dich nicht weiter in den Norden schicken.
Deinesgleichen geht es dort nicht besonders gut.«
»Meinesgleichen?«
»Ja. Frauen.« Eir lachte, und Dagmar sprach weiter. »Du
wirst mehr Arbeit im Süden finden, und ich habe gehört, dass es im Westen einen
Riesenkrieg gibt. Du solltest zu den Dunklen Ebenen gehen. Man hat mir erzählt,
Königin Annwyl hat recht viele Frauen in ihrer Armee.«
»Das werde ich. Willst du auch dorthin?«
»Ich weiß nicht. Ich weiß nicht, was ich im Moment mache.«
»Ich verstehe.« Sie stand wieder auf, und ihre Größe
weckte einen Verdacht in Dagmar. »Du bist kein Drache, oder?«
»Ich?« Sie lachte. »Götter, nein! Ich wünschte, ich wär
einer. Ich fände es toll, einen Schwanz zu haben.«
Zum ersten Mal seit Stunden lächelte Dagmar. »Wer fände
das nicht? Äh …«
»Eir«, erinnerte sie sie freundlich.
»Eir. Ja. Wenn du eine halbe Wegstunde in diese Richtung
gehst, wirst du einen toten Drachen finden.«
Eir starrte in die Richtung, in die Dagmar zeigte. »Ehrlich?«
»Vielleicht gibt es bei ihm was zu holen. Er hatte einen
Beutel. Könnte was drin sein, das du gebrauchen könntest.« Sie hielt ihren
Tornister hoch. »Ungefähr so groß. Allerdings ist es für ihn nur ein kleiner
Beutel.«
»Alles klar.«
Dagmar deutete nach vorn. »Und irgendwo da drüben sind
noch ein paar andere tote Drachen, ich bin mir aber nicht sicher wie weit
entfernt. Da ist vielleicht auch noch was für dich zu holen.«
Eir grinste sie an, und Dagmar zählte mindestens zwölf
Narben in ihrem Gesicht, eine von ihnen ein riesiger Schnitt, der vom
Haaransatz bis unter ihr Kinn reichte. »Danke. Ich schulde dir was. Für die
Socken«, fügte sie hinzu und lachte.
»Das habe ich sehr gern gemacht.« Dagmar streichelte dem
Wolf über Kopf und Rücken, als er aufstand. »Pass gut auf ihn auf. Er hat einen
tollen Charakter.«
»Nur wenn er in Stimmung ist.« Sie wuchtete ihr schweres
Gepäck auf den Rücken und machte sich auf den Weg. »Gute Nacht, Dagmar.«
»Dir auch, Eir.« Sie lächelte dem Wolf zu. »Leb wohl,
neuer Freund.« Der Wolf schnüffelte an ihrer Nase und trottete hinter seiner
Herrin her.
Sie sah ihnen nach, bis sie im Wald verschwanden und die
Tür von Esylds Haus aufging. Die Drachin kam heraus und wischte sich mit einem
nassen Tuch das Blut von den Händen. »Er ist fertig.«
16 Izzy
starrte ihre Mutter an. Das frühe
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