Drake (German Edition)
einige leise schnalzende Geräusche mit ihrer Zunge von sich. »Die Plattform ist zwar groß, aber nicht so groß, dass die Unit Eleven hineingebracht werden könnte. Alle Raumschiffe werden im näheren Bereich geparkt. Sobald wir unsere Aufgabe erledigt haben, fliegen wir zur Unit Eleven und docken dort an. Danach erweitere ich unsere Tarnung, sodass die Unit Eleven mit einbezogen wird. Anschließend verlassen wir das System.«
»Okay. Und der Energieschirm? Wie durchdringen wir den?«
»Wenn wir auf LaGrange sind, kann ich alles manipulieren, auch den Energieschirm.«
Werfel sah sie zweifelnd an. »Finden Sie nicht, dass in Ihrem geplanten Vorgehen sehr viele Unsicherheitsfaktoren vorhanden sind? Haben Sie denn auch einen Plan B?«
Sie schien in ihren Speicherblocks zu stöbern. »Was ist ein Plan B?«, fragte sie schließlich.
»Ein Alternativplan, falls etwas nicht so klappt, wie Sie es sich vorstellen.«
Sie sah ihn mit ihren großen Augen an. Ihre Zunge blieb ihm dabei erspart.
»Bisher hat doch alles geklappt, oder etwa nicht? Ohne Nachtmahl, ungebeichtet, ohne Ölung?«, meinte sie, ohne eine besondere Regung in ihrem Gesicht zu zeigen.
Er seufzte und drehte sich wieder um. Aus dem Wesen wurde er nicht schlau. Entweder sie war das, was er vermutete, nämlich ein einfacher Charakter mit unzähligen Updates in Form von Speicherblöcken, oder sie war wirklich von dem positiven Ausgang ihrer Unternehmen überzeugt. Wobei das eine das andere nicht ausschloss. Er hatte jedenfalls kein gutes Gefühl bei seinen Gedanken.
»Wir werden sehen«, meinte er und deutete auf seinen Frame. »Dort vor uns baut sich zum Beispiel ein Unsicherheitsfaktor auf.«
Ein schwarzer länglicher Punkt war auf dem Frame erschienen, der sich im raschen Näherkommen als fünf große Scheiben herausschälte. Als die Scheiben beinahe die ganze Bildfläche des Frames ausfüllten, kam Bewegung in die Formation. Die beiden äußeren Scheiben schoben sich langsam nach außen weg und anschließend nach oben, bis schließlich ein Kreis entstanden war.
»Das ist ein Portal«, sagte Leila, als kommentiere sie ein gesellschaftliches Ereignis. »Es öffnet sich. In wenigen Minuten werden wir innerhalb des Drake-Systems angekommen sein.« Sie wandte sich von ihm ab und ging hinüber zu Khartum.
Werfel blieb sitzen. Als die letzten Rundungen der Scheiben über den Rand der Frames hinausgewandert waren, verkrampften seine Hände. Erst jetzt bemerkte er, unter welcher Anspannung er stand. Vor allem die Tatsache, dass er selbst nicht agieren konnte, versetzte ihn in diesen Zustand. Er musste machtlos zusehen, wie die beiden Schiffe in eine gigantische Falle einflogen, umgeben von übermächtigen Gegnern, die laut Leilas Schilderungen weder Moralvorstellungen besaßen noch Skrupel kannten.
Der Übergang erfolgte vollkommen unspektakulär, lediglich die Farben der übertragenen Bilder erschienen plötzlich noch satter und kontrastreicher, geradeso als wäre ein letzter Schleier gefallen.
Werfel fiel ein Satz ein, den Galileo Galilei einmal gesagt hatte: »Zunächst Unvorstellbares wird sich einst in unverschleierter Pracht offenbaren.« Man konnte nur hoffen, dass die Pracht nicht in einer Katastrophe endete.
Seine Augen huschten von einem Frame zum anderen und sein Verstand saugte die Informationen förmlich auf. Immer wieder ging er alle Grafiken der All-Arrays durch und kam immer wieder zu dem erstaunlichen Ergebnis: Das Drake-System war in der Grundstruktur instabil. Der energiereiche Schlauch von heißen Gasen, der von dem Gasnebel Dante in den Nordpol der Sonne geleitet wurde, musste den Himmelskörper normalerweise aus dem Mittelpunkt des Systems schieben. Ganz zu schweigen von gewaltigen Wirbel- oder Drehmomenten, die auf die Sonne einwirkten. Sie wurde im Endeffekt nur durch die Existenz von LaGrange im Gleichgewicht gehalten. LaGrange musste damit ein extrem massereicher Körper sein, um diese Kräfte zu kompensieren. Die Daten, die ihm George über diesen Körper lieferte, erschienen Werfel so unwahrscheinlich, dass er sich fragend nach Leila umdrehte. Die jedoch stand nach wie vor bei Khartum und gab eine Anweisung nach der anderen.
Werfel blickte wieder auf die Daten von George und fuhr sich durch die Haare. Das war einfach nur konfuses Zeug. Irgendeine Aberration, verursacht durch falsche Interpretation der Messergebnisse.
Er beschloss zu warten. Im Augenblick war die ganze Situation in der Zentrale etwas konfus.
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