Drake (German Edition)
Schultern. Ihm konnte es egal sein, aber diese Nase hätte er sich schon längst korrigieren lassen.
Mit den überflüssigen Gedanken an große Nasen überfiel ihn eine bleierne Müdigkeit.
Nach einigen Stunden wachte er unvermittelt auf.
Irgendetwas war ungewöhnlich.
Mit einem verschlafenen Blinzeln in seinen Augen überflog er die Frames. Alles war normal. Alles war ruhig.
Ruhig.
Der Sturm hatte sich gelegt.
Die gelben Strahlen von Savoy brachen nun vollständig durch die Wolken.
Werfel blickte nach rechts und nach links. Überall lagen diese Bowlingkugeln bewegungslos auf dem Boden. Er fragte sich, ob er mit der Arack vielleicht im windstillen Auge eines Hurrikans stand, verwarf den Gedanken aber gleich wieder. Es war kein Hurrikan gewesen, sondern es hatte ein massiver Gasaustausch stattgefunden, der nun beendet schien.
Verwundert über die plötzliche Änderung der Situation stolperte er unbeholfen nach hinten und steckte seinen Kopf unter einen Strahl kalten Wassers.
Es gab keinen Zweifel. Die Natur von Escorial war in Bewegung geraten. In den letzten Wochen hatten Wolken, Gasnebel und starker Wind vorgeherrscht. Nun dieser plötzliche Klimawandel. Die Frage war nur, was würde das bedeuten?
Er schüttelte das Wasser aus seinen spärlichen Haaren und ging wieder nach vorne in die Kanzel.
Im Grunde genommen konnte ihm die Entwicklung des Planeten gleichgültig sein, das Savoy-System war nur eine kleine Geschichte auf dem langen Weg durch die Galaxis. Er würde ein paar Sonden für Aufzeichnungen zurücklassen, den Rest konnten die Digger-Teams von Sternberg erledigen. Wobei er nicht daran glaubte, dass dieses Sternsystem rentabel für einen Abbau von Bodenschätzen war. Zu weit weg von der Erde, zu viele Gasriesen, zu wenig Monde, fast keine Asteroiden. Escorial selbst war ein zu junger Planet, um lukrative Schätze zu besitzen. Die Schwerkraft war mit eineinhalb Erdenschwere zu hoch und zu hinderlich für einen problemlosen Abbau.
Und doch. Die beispiellose und fremde Atmosphäre des Planeten faszinierte ihn als Wissenschaftler. Noch nie hatte er als Erster einen extraterrestrischen Himmelskörper erforschen dürfen, hatte alle Möglichkeiten zur Verfügung gehabt, seine wissenschaftliche Neugier zu befriedigen. Alleine das Gefühl, Lichtjahre von zu Hause entfernt auf einem unbekannten Boden zu stehen, war unbeschreiblich zu nennen. Für Verotroicx mochte es ein Job sein, für ihn war es die Erfüllung eines Traumes.
Wenn da nicht diese andere Sache gewesen wäre, viel größer, viel gewaltiger und viel geheimnisvoller. Diese Zeitanomalie am Ende der Sternberg-Linie. Dieses Phänomen war einmalig in der Galaxis und deswegen wollte er so schnell wie möglich dorthin.
Wieder stieg der Ärger über die verlorene Zeit in ihm hoch. Er war in seinem Zwiespalt dem wissenschaftlichen Drang erlegen. Nichts, aber auch gar nichts hatte er dadurch gewonnen, außer der Gewissheit und Bestätigung, dass die heimatliche Erde ein absoluter Ausnahmeplanet in der Schöpfung war. Escorial würde früher oder später dem Untergang geweiht sein. Alleine seine Umlaufbahn zwischen den mächtigen Gasriesen war überaus kritisch anzusehen. Es grenzte an ein Wunder, dass der Planet so lange bestanden hatte. Ein netter, aber vergeblicher Versuch in der galaktischen Evolution, mehr nicht.
»George, manuelle Steuerung!«, befahl er.
Von den Seitenwänden her glitt die Steuerung des Apparatus in seine Hände und unter seine Füße. Er liebte diese Art der Fortbewegung mit der Arack. Von den Ignoranten auf der Unit wurde der Apparatus verächtlich als Fitnessstudio für Arme bezeichnet. Für ihn war es ein Hochgenuss, mit der Bewegung seiner Arme und Beine die Arack zu steuern. Natürlich simulierten die Sensoren einen gewissen Widerstand, den die langen Spinnenbeine übertrugen, aber gerade das war der Reiz an der Sache. Er konnte die Oberfläche des Bodens spüren, auf jede Unebenheit reagieren, ja sogar Sprünge über Mulden oder breite Gräben durchführen. Bei einer Höchstgeschwindigkeit von über 120 Stundenkilometern erforderte die Handhabung seine ganze Konzentration und es kam nicht selten vor, dass er nach einiger Zeit nass geschwitzt war und erschöpft die Automatik aktivierte, um sich etwas zu erholen. Mit einer kreisenden Armbewegung holte er das feinmaschige Netz ein, das er zur Sicherheit über die Arack geworfen hatte, und fuhr anschließend die 15 Meter langen Beine aus ihrer geduckten Parkposition.
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