Drake (German Edition)

Richtung Schleuse. »Okay, rein kommst du von alleine«, sagte er, als sie dort angekommen waren. »Ich hänge die erste Gruppe ans Montageseil. Dann komme ich ebenfalls rein und versetze das Cargo in Rotation. Danach müssen wir die nächsten Gruppen ranholen und mit dem Seil der ersten Gruppe verbinden.«
    »Ich komm klar, danke«, signalisierte Verotroicx mit vor Kälte zitternder Stimme. Der Gedanke, sich gleich im Warmen aufzuhalten, machte ihm bewusst, wie kalt ihm eigentlich war. Gleichzeitig bekam er ein schlechtes Gewissen denen gegenüber, die noch in den Seilen ausharren mussten. Er wusste jedoch, dass sie effektiv und schnell handeln mussten. Manche Gruppen waren weit abgetrieben und hingen als kleine torkelnde Pünktchen im Raum. Alleine konnte Ross Kelso die Leute mit dem Antrieb seines Raumanzuges nicht schnell genug an das Cargo heranbringen. Weiterhin mussten die Notfälle rasch ausgemacht und ins Cargo gebracht werden. Kein leichtes Unterfangen bei fast 200 Personen, die Kelsos Cargo zu versorgen hatte. Ganz sicher würde der eine oder andere aus den Gruppen bei dem Unternehmen noch Hilfe leisten, aber trotzdem sollten sie keine Zeit verlieren.
    Als er festen Halt an der Schleuse hatte, atmete er tief durch. Noch vor 20 Stunden hatte er in wohliger Wärme in einem Liegestuhl gelegen. Jetzt hing er vor Kälte zitternd am Einstieg eines Cargos in 400 Kilometer Höhe über dem Planeten. In der Zeit dazwischen war er kaum zum Schlafen gekommen. Auch in den nächsten Stunden war daran nicht zu denken. Mit müden Augen blickte er noch einmal in Richtung des Umläufers. Er war in dem kalten Lichtermeer der Sterne nicht mehr auszumachen.
      
    Raphael Werfel durchforschte ruhelos die Gänge und Räume der Anlage. Er konnte nicht glauben, dass dieses skelettartige Gebilde das einzige Relikt aus längst vergangenen Zeiten sein sollte. Wenn die ehemaligen Bewohner in der Lage gewesen waren, einen Gegenstand herzustellen, der Jahrtausende überstanden hatte, dann musste es noch mehr davon geben.
    Aber es war nichts zu finden. Absolut nichts. Er musste an das berühmte Maheno-Wrack denken, einem Luxusliner, der im Jahre 1935 in einem Sturm an der Ostküste von Fraser Island in Australien gestrandet war. Von dem Wrack existierten heute nur noch Aufnahmen, die es in den verschiedenen Verfallstadien zeigten. Nach 300 Jahren hatte sich der Luxusliner der Trans-Tasman-Linie in nichts aufgelöst.
    Gut, das war nicht vergleichbar. Das Schiff war dem Salzwasser und den Stürmen des Meeres ausgesetzt gewesen. Hier in der Anlage war es zwar auch feucht, aber es konnte doch nicht alles verschwunden sein. Es sei denn, die Anlage war tatsächlich sehr alt.
    Nicht nur Jahrtausende, sondern noch viel älter.
    Er fuhr mit den Fingern über die Wände. Es war noch etwas anderes übrig geblieben. Das Mauerwerk musste mit einer konservierenden Substanz überzogen worden sein, sonst wäre es nicht so gut erhalten und schon längst eingestürzt.
    Die Substanz fühlte sich weich an. Als er versuchte mit einem scharfen Messer etwas davon abzukratzen, musste er feststellen, dass es unmöglich war. Das Messer glitt ohne jegliche Wirkung ab. Verblüfft suchte er nach einer anderen Möglichkeit, etwas von dem unbekannten Material zu konservieren. Er versuchte es mit sanftem, schließlich härterem Stoßen mit dem Messer. Ohne Erfolg. Er brauchte einen Bohrer oder etwas anderes mit mehr Wirkung. Enttäuscht gab er auf. Vielleicht hatte einer der anderen eine Idee. Diese Schlauköpfe hatten schließlich auch den Vorschlag gemacht, die Arack auseinanderzubauen und in Einzelteilen von der Felskante in die große Halle zu hieven. Sie hatten nicht lange gefragt und die Sache einfach in die Hand genommen. Ihn selbst hatten sie wie einen Dummkopf während der ganzen Aktion danebenstehen lassen. Nach einiger Zeit hatte er sich davongestohlen und war seitdem durch die Anlage gestreift.
    Er sah auf die Uhr. In einer Stunde würde der Durchgang des Umläufers beginnen. Die ersten Anzeichen davon waren schon in einer Übertragung der Unit Eleven zu sehen. Ein gefundenes Fressen für diese lächerlichen Bildverwerter. Sie bauschten den Vorgang wie einen Spielfilm auf. Wahrscheinlich hofften sie auf einen Dokumentarfilmpreis, wenn sie wieder zur Erde zurückkehrten. Er konnte mit den raschen Bildfolgen nichts anfangen, die nur einen Eindruck, aber keinen wissenschaftlichen Nutzen besaßen.
    Eigentlich sollte er sich einmal melden. Es gab einige